Baby-Austern spüren „good vibrations“ vom Riff
„Der Ozean hat unterschiedliche Geräuschkulissen, wie man es auch an Land hat“, erläutert Ashlee Lillis von der North Carolina State University. „Am Riff zu leben ist wie in einer geschäftigen Stadt zu leben: Es gibt eine Menge Bewohner, eine Menge Aktivität und eine Menge Lärm. Im Vergleich ist der Meeresgrund eher wie das Leben auf dem ruhigen Land.“ Im Larvenstadium sind Austern noch nicht sesshaft, sondern treiben mehr oder minder passiv im Meer. Einzig die Höhe, in der sie in der Wassersäule schweben, können die Mollusken in dieser Phase ihres Lebens beeinflussen, sie können aber nicht etwa gegen eine Strömung anschwimmen. Doch an der Schwelle zum Erwachsenenstadium bildet sich ein Fuß, mit dem sie sich an einem geeigneten Fleckchen an den Untergrund haften und damit sesshaft werden und diesen Platz für gewöhnlich auch nicht mehr verlassen.
In einer Reihe von Experimenten im Labor sowie unter natürlichen Bedingungen hatten Lillis und ihre Kollegen das Siedlungsverhalten von Larven der Amerikanischen Auster (Crassostrea virginica) beobachtet. Bisher war bekannt, dass etwa chemische und physikalische Signale den Prozess des Niederlassens von Muscheln beim Übergang ins Erwachsenenstadium beeinflussen können. Mit ihren Versuchen wollten die Forscher nun herausfinden, welche Rolle akustische Reize dabei spielen, wenn die Muscheln einen Platz für ihr sesshaftes Leben suchen. „Ein Riff hat sehr laute und eindeutige Geräusche, die mit ihm assoziiert werden“, erklärt Lillis. „Sie sind laut genug, um von Tauchern und Schnorchlern gehört zu werden. Und auch wenn Austern keine Ohren haben und nicht wie wir hören können, könnten sie in der Lage sein, die Vibrationen von den Riffgeräusche wahrzunehmen.“ Also spielten die Biologen Tonaufnahmen vom freien Meeresgrund sowie von einem typischen Riff, an dem auch Austern lebten, ab und untersuchten bei hunderten von Larven, wie diese beiden unterschiedlichen Geräuschkulissen beeinflussen, ob die Tiere sich niederließen. Um auszuschließen, dass unterschiedliche Lichtverhältnisse einen Effekt hatten und die Ergebnisse verfälschten, machten sie die Experimente in völliger Dunkelheit.
Sowohl in der Wildnis als auch im Labor stellten die Biologen fest: Unter dem Einfluss der Geräuschkulisse „Riff“ lassen sich Larven, die sich in dem Stadium des Niederlassens befinden, eher nieder. Die Ergebnisse dieser Studie liefern ihres Wissens zufolge erstmal den Beweis dafür, dass die Unterwassergeräuschkulisse in dem Lebensraum erwachsener Tiere den Larven einer Muschel einen Hinweis geben kann, sich tatsächlich niederzulassen. „Wenn wir herausfinden, wie der Lärm die Austern beeinflusst“, so Lillis, „könnte uns das Strategien an die Hand geben, neue Austernbänke zu etablieren.“