Autismus: Hormontherapie mit Oxytocin wirkt – aber nicht immer

Ob sich die sozialen Fähigkeiten kranker Kinder durch eine Therapie mit Oxytocin verbessern, hängt davon ab, wie hoch der anfängliche Blutspiegel des Hormons ist
Mangelnde Kontaktfähigkeit ist ein typisches Merkmal einer autistischen Störung.
Mangelnde Kontaktfähigkeit ist ein typisches Merkmal einer autistischen Störung.
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Stanford (USA) - Autismus ist eine angeborene Entwicklungsstörung, die sich unter anderem auf das Sozialverhalten auswirkt und die Kommunikationsfähigkeit beeinträchtigt. Da das Hormon Oxytocin zwischenmenschliche Beziehungen positiv beeinflusst, könnte es für eine Autismustherapie in Frage kommen. Deren Wirksamkeit konnte allerdings bisher nicht eindeutig nachgewiesen werden. Eine neue amerikanische Studie zeigt nun, dass sich die sozialen Fähigkeiten nur von solchen Kindern deutlich verbessern, deren lutspiegel des Hormons zu Beginn der Behandlung sehr gering ist. Auch ein spezieller Placeboeffekt, der zum Anstieg der Oxytocinproduktion während der Therapie führt, sei in den älteren Studien nicht berücksichtigt worden, schreiben die Forscher im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“.

„Neue klinische Studien sind nötig – weniger um die Wirksamkeit einer Behandlung nachzuweisen, als vielmehr um herauszufinden, wer auf mögliche Behandlungen anspricht“, sagt Antonio Hardan von der Stanford University, der Leiter der Forschergruppe. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Blutspiegel für Oxytocin ein biologisches Merkmal ist, das helfen könnte vorauszusagen, ob und wie stark ein Kind von der Therapie profitieren wird“, ergänzt Erstautorin Karen Parker. Die Forscher hatten vor einigen Jahren festgestellt, dass sowohl gesunde als auch autistische Kinder sehr unterschiedliche Blutwerte für Oxytocin aufweisen. Dabei waren geringere Werte mit stärkeren Störungen im Sozialverhalten verbunden. Das gab Anlass zur Vermutung, dass die Verabreichung des Hormons bei Kindern mit sehr niedrigem Hormonspiegel wirksamer sein könnte als bei anderen.

An der Doppelblindstudie nahmen 32 Kinder mit autistischen Störungen teil, die sechs bis zwölf Jahre alt waren. Die eine Hälfte wurde vier Wochen lang zweimal täglich mit Oxytocin behandelt, verabreicht als Nasenspray. Die anderen erhielten ein Placebo. Vor und nach Beginn der Studie bestimmten die Forscher die Blutwerte für Oxytocin und ermittelten über einen von den Eltern ausgefüllten Fragebogen das jeweilige Ausmaß der autistischen Verhaltensstörung. Unter Berücksichtigung der Ausgangsblutwerte verbesserte die Hormonbehandlung die sozialen Fähigkeiten der Kinder deutlich stärker als die Verabreichung des Placebos. Der positive Effekt war umso größer, je geringer der Oxytocinwert am Anfang war. Anders formuliert: Am Oxytocin-Blutspiegel ließ sich im Voraus ablesen, ob die Therapie erfolgreich sein würde. Wären diese Blutwerte – wie bei den bisherigen Studien – für die statistische Auswertung nicht berücksichtigt worden, hätte sich kein relevanter Unterschied zwischen Oxytocin- und Placebogruppe ergeben.

Auch bei einigen Kindern der Placebogruppe verbesserte sich das soziale Verhalten – und zwar bei denen, deren geringe Oxytocinwerte bis zum Ende der Behandlung wenn auch nur geringfügig angestiegen waren. Offenbar hat allein die Teilnahme an der Studie und der damit verbundene soziale Kontakt bei diesen Patienten die eigene Oxytocinproduktion gesteigert, was sich positiv auf das Sozialverhalten auswirkte. Die neuen Ergebnisse könnten für die widersprüchlichen Aussagen älterer Studien verantwortlich sein. Erkennbare Nebenwirkungen der Hormontherapie fanden die Forscher nicht. Die Behandlung hatte auch keine Auswirkungen auf andere Krankheitssymptome wie stereotypes, sich wiederholendes Verhalten und Angstzustände. Inzwischen ist eine größere Studie angelaufen, die die Ergebnisse überprüfen soll. Erst nach deren Abschluss könne erwogen werden, sagt Hardan, betroffenen Kindern eine Oxytocintherapie anzubieten. Eine derartige Behandlung wäre möglicherweise auch bei anderen Erkrankungen hilfreich, die mit gestörtem Sozialverhalten verbunden sind.

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