Aus Hautzellen werden Vorläufer von Hirnzellen

Neue Methode ermöglicht erstmals, aus Hautzellen von Mäusen große Mengen sämtlicher Zelltypen des Nervensystems anzuzüchten
Fluoreszenz-markierter Oligodendrozyt von Mäusen
Fluoreszenz-markierter Oligodendrozyt von Mäusen
© Jurjen Broeke
Stanford (USA) - Hautzellen lassen sich auf direktem Weg in unbegrenzt wachsende Vorläuferzellen umwandeln, aus denen dann alle Zelltypen des Nervensystems hervorgehen können. Das berichten amerikanische Forscher. Der Umweg über ein Stammzellstadium – die sogenannten iPS-Zellen – hatte bisher nicht zum Erfolg geführt. Die jetzt erstmals erzeugten neuralen Vorläuferzellen waren in der Lage, sich nach Injektion in das Gehirn von Mäusen zu reifen Hirnzellen zu entwickeln. Wenn die Methode auch mit Hautzellen erwachsener Menschen durchführbar ist, wäre damit eine wichtige Voraussetzung zur Behandlung von Hirnkrankheiten oder Rückenmarksverletzungen geschaffen, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)”.

„Abgesehen von einer direkten therapeutischen Anwendung könnten diese Zellen sehr nützlich sein, um menschliche Krankheiten in der Laborschale zu erforschen“, sagt Marius Wernig von der Stanford University. Seinem Forscherteam war es vor Kurzem bereits gelungen, Hautzellen erwachsener Menschen direkt in Neuronen umzuwandeln. Davon ließen sich jedoch keine größeren Mengen anzüchten. Durch das neue, mit embryonalen Mäusezellen entwickelte Verfahren entstehen zunächst Vorläuferzellen, die sich unbegrenzt vermehren können. Daraus können dann nicht nur Neuronen hervorgehen, sondern auch Oligodendrozyten und Astrozyten, die als Gliazellen weitere Hauptbestandteile des Nervensystems ausmachen. Erste Versuche zeigten, dass sich die Vorläuferzellen im Gehirn kranker Mäuse zu Oligodendrozyten weiterentwickeln und deren natürliche Funktion – eine isolierende Hülle um Nervenfortsätze zu bilden – übernehmen können.

Die Forscher erreichten ihr Ziel, indem sie mit Hilfe von Viren drei Gene in die Hautzellen einschleusten, die über Transkriptionsfaktoren die Aktivität anderer Gene kontrollieren. Nach drei Wochen hatten sich etwa zehn Prozent der Zellen in sogenannte induzierte neurale Vorläuferzellen verwandelt. Im Vergleich zum indirekten Verfahren, bei dem zunächst stammzellartige iPS-Zellen erzeugt werden, habe die neue Methode mehrere Vorteile, sagt Erstautor Ernesto Lujan. Die gewünschten Zellen entstünden in größerer Zahl und müssten kaum noch gereinigt werden. Da keine Zwischenstufen mit Stammzellcharakter auftreten, besteht auch keine Gefahr, dass es bei einem therapeutischen Einsatz zu Krebswachstum kommt. Die Forscher wollen nun versuchen, auch aus menschlichen Hautzellen neurale Vorläuferzellen herzustellen. Wenn sich diese nach Transplantation als sicher erweisen, besteht die Hoffnung, zukünftig verträgliche patienteneigene Zellen zur Regeneration von zerstörtem Nervengewebe einzusetzen.

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Quelle: „Direct conversion of mouse fibroblasts to self-renewing, tripotent neural precursor cells”, Ernesto Lujan et al.; Proceedings of the National Academy of Sciences, DOI: 10.1073/pnas.1121003109


 

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