Auch deutsche Migranten keine Wunderkinder beim Sprachenlernen
"Meine Ur-Ur-Großeltern kamen nach Amerika und lernten schnell Englisch, um zu überleben, warum können die Einwanderer von heute das nicht auch?" - diesen Satz hört Joseph Salmons, Germanist an der University of Wisconsin-Madison, ziemlich oft von seinen Landsleuten. Zusammen mit seiner Kollegin Miranda Wilkerson hat er in Archiven alte Volkszählungsdaten, Zeitungen, Bücher, Gerichtsprotokolle und andere Materialien aus den Jahren von 1839 bis in die 1930er Jahren in Wisconsin durchgeforstet. Dabei wollten die Wissenschaftler wissen, was dran ist an der Behauptung von den schnell Englisch lernenden Vorfahren.
Salmons und Wilkerson stellten fest, dass die deutschen Einwanderer in den USA sich keineswegs als erstes um den Erwerb der Landessprache kümmerten. Warum sollten sie auch? Ganze Dörfer und Städte waren mehrheitlich deutsch besiedelt. Das ganze öffentliche Leben - ob in der Schule, in der Kirche, vor Gericht, bei politischen Versammlungen - spielte sich dort auf Deutsch ab.
"Diese Leute waren engagierte Amerikaner", erklärt Salmons. "Sie beteiligten sich am politischen und wirtschaftlichen Leben, sie waren Kirchenvorstände oder Lehrer. Aber daneben ist es ihnen gelungen, nicht viel von ihrem Leben auf Englisch meistern zu müssen." Noch 1910, so weist eine alte Volkszählung aus, gab es Gemeinden in Wisconsin, in denen ein Fünftel bis ein Viertel Nur-Deutsch-Sprecher lebten. Und es waren nicht nur Menschen der ersten Einwanderergeneration. Auch viele Angehörige der zweiten oder dritten Generation, die zum Teil bereits in den USA geboren wurden, sprachen ausschließlich Deutsch. Bis in die 1930er Jahre hinein gab es auch mehrere deutschsprachige Zeitungen.
Erst um 1940 wurde das Deutsche von den Amerikanern mit deutschem Migrationshintergrund allmählich aufgegeben. "Im Laufe der Zeit sind die diversen Institutionen, die die deutsche Sprache unterstützt haben, fast ausschließlich englischsprachig geworden: Kirchen, Schulen, Presse, Gewerkschaften. Das heißt natürlich, dass Englischkenntnisse damit wichtiger wurden, letzten Endes wurden sie sogar notwendig", erklärt Salmons. Hinzu kam der Beginn des Zweiten Weltkriegs. Antideutsche Stimmungen in den USA brachten wohl so manchen dazu, immer seltener und schon gar nicht öffentlich Deutsch zu sprechen.