Auch Quarks verletzen Spiegelsymmetrie

Die kleinsten Bausteine der Atomkerne verhalten sich im Beschleunigungsexperiment anders – je nachdem, ob sie links- oder rechtsdrehend sind
Dieses hochauflösende Spektrometer im Jefferson Lab wiegt 450 Tonnen. Zwei solche Geräte waren notwendig, um die Asymmetrie in den Nukleonen nachzuweisen.
Dieses hochauflösende Spektrometer im Jefferson Lab wiegt 450 Tonnen. Zwei solche Geräte waren notwendig, um die Asymmetrie in den Nukleonen nachzuweisen.
© Jefferson Lab
Newport News (USA) - Der morgendliche Blick in den Spiegel verrät es jedem Menschen: Es gibt keine perfekte Symmetrie. Die linke und die rechte Gesichtshälfte sehen immer ein wenig anders aus. Lange Zeit ging die Physik jedoch davon aus, dass zumindest für die Bestandteile der Materie eine perfekte Spiegelsymmetrie herrschen sollte. Warum sollte ein Elektron auch anderen Naturgesetzen unterliegen als sein Spiegelbild? Wie die nobelpreisgekrönten Arbeiten von Tsung-Dao Lee und Chen-Ning Yang aus dem Jahr 1956 erwiesen, ist bei sogenannten schwachen Wechselwirkungen die Spiegelsymmetrie jedoch verletzt.

Die sogenannte schwache Wechselwirkung ist neben der elektromagnetischen Kraft, der Gravitationskraft und der starken Kernkraft, die die Atomkerne zusammenhält, eine der vier physikalischen Grundkräfte. Sie sorgt für bestimmte Arten von Radioaktivität und ermöglicht auch das Sonnenfeuer. Und sie sorgt dafür, dass die Natur zwischen Prozessen unterscheidet, die sich zueinander spiegelbildlich verhalten. So reagieren etwa „linkshändige“ Elektronen, die sich entlang ihrer Bewegungsrichtung im Uhrzeigersinn drehen, anders als „rechtshändige“ Elektronen, die sich gegen den Uhrzeigersinn drehen. Nun konnte eine internationale Kollaboration von Teilchenphysikern iesen Effekt erstmals direkt an den innersten Bausteinen der Materie nachweisen – an den Quarks, die jeweils zu dritt die Protonen beziehungsweise Neutronen im Atomkern bilden. Von ihren Ergebnissen berichten die Forscher im Fachblatt „Nature“.

Die Wissenschaftler konnten den Effekt nachweisen, indem sie am Jefferson Lab in Virginia abwechselnd einen Strahl links- und rechtshändiger hochenergetischer Elektronen auf eine tiefgekühlte und etwa zwanzig Zentimeter lange Probe aus Deuterium schossen. „Bei dieser Art von Streuversuchen übertragen die Elektronen ihre Bewegungsenergie in die Atomkerne und brechen sie auseinander“, sagt Xiaochao Zheng von der University of Virginia, der Sprecher für das Experiment ist. Die Wissenschaftler wählten das Wasserstoff-Isotop Deuterium als Probe, weil es einen Atomkern aus genau einem Proton und einem Neutron besitzt. Dieser einfache und symmetrische Aufbau macht die komplizierte Auswertung der Daten einfacher.

Der Beschleuniger am Jefferson Lab besitzt zwar nur einen Bruchteil der Energie, wie ihn der Large Hadron Collider am Genfer CERN zur Verfügung stellen kann. Zusammen mit zwei hochauflösenden Detektoren liefert er jedoch die Möglichkeit zu speziellen Präzisionsexperimenten. Die Wissenschaftler untersuchten über einen Zeitraum von zwei Monaten rund 170 Milliarden Elektronen, die mit den Quarks in den Atomkernen nicht nur eine elektromagnetische, sondern auch eine schwache Wechselwirkung eingingen. Wie sie in ihrer Datenanalyse feststellten, unterschieden sich die Ergebnisse je nach Händigkeit der Elektronen.

Das nun durchgeführte Experiment hat auch einen Vorläufer: Vor rund 35 Jahren haben Forscher am Stanford Linear Accelerator Center erstmals diesen subtilen Effekt untersucht, konnten damals allerdings nicht alle Vorhersagen der Theorie prüfen. Mit dem neuen Experiment konnten die Forscher nicht nur die damalige Präzision um den Faktor fünf übertreffen. Es gelang ihnen auch erstmals zu zeigen, dass der Eigendrehimpuls der Quarks, der sogenannte Spin, ebenfalls die Spiegelsymmetrie verletzt. Damit konnten die Forscher nicht nur das Standardmodell der Teilchenphysik bestätigen, sondern auch den Kollegen am CERN und anderen Forschungseinrichtungen Hinweise geben, bei welchen Energien sie in Zukunft nach Effekten suchen müssen, die auf unbekannte physikalische Phänomene hinweisen.

© Wissenschaft aktuell
Weitere Artikel zu diesem Thema:
Miniatur-Teilchenbeschleuniger für den Labortisch


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg