Arktis könnte schon in wenigen Jahren eisfrei sein
„Der erste eisfreie Tag in der Arktis wird zeigen, wie wir die natürliche Umgebung des Arktischen Ozeans fundamental verändert haben“ sagt Alexandra Jahn von der University of Colorado in Boulder. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Céline Heuzé von der schwedischen Universität Göteborg zog sie für ihre Analyse elf etablierte, aber unterschliedliche Klimamodelle heran. Insgesamt lieferten diese Modell 366 Szenarien für die Entwicklung des arktischen Eisschilds. Im Unterschied zu früheren Analysen, die sich auf einen kompletten eisfreien Monat fokussierten, betrachteten Jahn und Heuzé erstmals die Risiken für einen einzigen eisfreien Tag.
Als „eisfrei“ definieren Klimaforschende heute eine Resteisfläche von weniger als einer Million Quadratkilometer. Denn das nahezu vollständige Verschwinden des Meereises erwies sich als wenig sinnvoll, um den tatsächlichen Kollaps der arktischen Eisfläche zu definieren. Denn dickes Meereis würde noch für sehr lange Zeit im Norden Grönlands und in einem Archipel nördlich von Kanada existieren, selbst wenn der Großteil des Arktischen Ozeans längst offenes Wasser wäre.
Die meisten Klimaberechnungen prognostizieren einen ersten eisfreien Tag in den 2030er und 2040 Jahren. Aber immerhin neun Simulationen ergaben, dass bereits in drei bis sechs Jahren, also noch in diesem Jahrzehnt, die arktische Eisfläche für mindestens einen Tag weitestgehend geschmolzen sein könnte. Aus heutiger Sicht ist es noch ein Extremszenario. Denn vor diesem Zeitpunkt müssten über mindestens drei Jahre sowohl Herbst, Winter als auch Frühling ungewöhnlich warm gewesen sein. Nur dann würde sich über den kalten und dunklen Winter sehr wenig neues Meereis bilden können.
Jahn und Heuzé sehen in ihrer Analyse aber auch, dass das arktische Meereis nicht zwangsläufig komplett abschmelzen muss. So erfordern die eisfreien Tage in allen Simulationen, dass die globale Durchschnittstemperatur mindestens fünf Jahre hintereinander über der 1,5-Grad-Schwelle liegen muss. Auch wenn die Schwelle für das Jahr 2024 erstmals überschritten wird, muss das nicht unbedingt auch in den folgenden Jahren geschehen. „Jede Reduktion der Treibhausgaseemissionen hilft, das Meereis zu bewahren“, sagt Jahn.