Antifouling: Nanokristalle schützen Schiffsrümpfe

Wolframoxid-Beschichtung von Stahl kann giftige Anstriche ersetzen
Mikroskopaufnahme der nanoskaligen Wolframoxid-Inseln auf einer Stahloberfläche.
Mikroskopaufnahme der nanoskaligen Wolframoxid-Inseln auf einer Stahloberfläche.
© J. Aizenberg et al. SEAS
Cambridge (USA) - Setzen sich Algen, Seepocken oder Muscheln auf den Stahlrümpfen von Frachtern ab, steigen Strömungswiderstand, Treibstoffbedarf und Rostgefahr. Nach dem Verbot giftiger Antifouling-Anstriche aus Tributylzinn (TBT) werden derzeit ebenfalls bedenkliche kupferhaltige Farben oder Biozide verwendet. Eine physikalische Alternative entwickelten nun Forscher an der Harvard University in Cambridge und präsentieren sie in der Fachzeitschrift „Nature Communications“. Sie beschichteten mit einem gepulsten, elektrochemischen Verfahren Stahloberlächen mit Wolframoxid, um eine sehr wirksame Schutzschicht gegen störenden Bewuchs aufzubauen.

„Unser Ziel war es, ein bewährtes Material wie Stahl noch besser zu machen“, sagt Harvard-Forscherin Joanna Aizenberg von der John A. Paulson School of Engineering and Applied Sciences (SEAS). Um verschiedene Stahllegierungen mit einer physikalischen Schutzschicht zu überziehen, stellte sie mit ihren Kollegen eine wässrige Lösung aus Natriumwolframat her. In diese Flüssigkeit tauchten sie ihre Stahlproben, die als Elektroden dienten. Floss nun Strom durch diese elektrochemische Zelle, setzten sich kleine Inseln aus Wolframoxid-Nanokristallen von etwa 600 Nanometer Dicke auf den Stahloberflächen ab. Das Besondere an diesem Verfahren: Mit einer Spannung von 1,5 Volt ließen die Forscher den Strom immer in Pulsen von zehn Sekunden Dauer über zwölf Stunden durch diese Zelle fließen.

Diese Kristall-Inseln hafteten ausgesprochen fest an der Stahloberfläche, da sich starke Bindungen zwischen Sauerstoff und den im Stahl enthaltenen Metallen (Eisen, Chrom, Nickel) aufbauen konnten. Belastungsversuche mit spitzen Werkzeugen und Sandstrahldüsen bestätigten die hohe Haftkraft der Wolframoxid-Inseln. In dieser Form war das Wolframoxid allerdings noch stark Wasser anziehend. Um eine stark Wasser abstoßende Schicht zu erhalten, fluorinierten die Forscher das Wolframoxid mit einer speziellen Lösung. Das Ergebnis war eine sogenannte omniphobe Beschichtung, die Wasser und auch andere, nicht wässrige Flüssigkeiten abstieß. Dank dieser Eigenschaft konnten sich auch während mehrerer Tage keine Biofilme etwa aus Grünalgen auf diesen Oberflächen bilden. Und wenn sich keine Biofilme bilden können, fehlt auch Seepocken und Muscheln die notwendige Grundlage, um sich auf Stahlrümpfen anzusiedeln.

Nun könnten mit diesem elektrochemischen Verfahren Schiffsrümpfe ohne den Einsatz von giftigen Anstrichen langfristig vor Bewuchs geschützt werden. Aizenberg und Kollegen sind davon überzeugt, dass ihre Beschichtungsmethode auch auf andere Metalle wie etwa Titan-Legierungen angewandt werden könnte, um Infektionen an medizinischen Implantaten zu vermeiden. Vor einer Anwendung muss diese Methode aber für größere Oberflächen angepasst werden. Gelingt dieser Schritt, könnten beliebige Stahloberflächen mit einer günstigen und deutlich weniger giftigen Schutzschicht aus Wolframoxid-Inseln überzogen werden. Die Forscher sehen ein Einsparpotenzial im Vergleich zu bisherigen Antifouling-Maßnahmen von Dutzenden Millionen Dollar.

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