Antibiotische Therapie schädigt Darmbakterien stärker als gedacht

Ein Antibiotikum mit breitem Wirkungsspektrum kann die Zusammensetzung der Darmflora dauerhaft verändern
Stanford (USA) - Antibiotika, die als Tablette verabreicht werden, töten nicht nur Infektionserreger ab, sondern schädigen auch nützliche Darmbakterien. Bisher dachte man, dass sich die verschiedenen Populationen von Darmkeimen nach dem Absetzen des Medikaments schnell wieder regenerieren. Doch eine amerikanische Studie hat jetzt ergeben, dass das nicht immer der Fall ist. Bei Probanden, die im Abstand von sechs Monaten wiederholt mit Ciprofloxacin behandelt wurden, war der Ausgangszustand der Darmflora auch zwei Monate nach der Therapie noch nicht wiederhergestellt. Ob sich dadurch die Anfälligkeit für bestimmte Erkrankungen erhöht, müssten weitere Untersuchungen zeigen, schreiben die Forscher im Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)".

Diese Ergebnisse sollte man nicht so interpretieren, dass der Einsatz von Ciprofloxacin gefährlich wäre und vermieden werden sollte, sagt David Relman von der Stanford School of Medicine. Aber trotz des unbestreitbaren Nutzens der Antibiotika sei es wichtig, auf mögliche Langzeitschäden dieser Medikamente zu achten. Zusammen mit Les Dethlefsen hatte Relman untersucht, wie eine übliche Therapie mit einem Breitbandantibiotikum das Spektrum der Darmbakterien verändert. Der Darm eines gesunden Menschen beherbergt etwa tausend Mikrobenarten in unterschiedlichen Populationsdichten. Eine normale Darmflora trägt wesentlich zur Gesundheit bei, indem sie die Verdauung unterstützt, Krankheitserreger abwehrt, Vitamine produziert und das Immunsystem stimuliert. Ob bestimmte Antibiotika einzelne dieser Funktionen beeinträchtigen können, ist noch weitgehend unbekannt.

Über einen Zeitraum von zehn Monaten untersuchten die Forscher jeweils mehr als 50 Stuhlproben von drei Frauen, die in dieser Zeit zweimal fünf Tage lang mit Ciprofloxacin behandelt wurden. Zwischen beiden Behandlungen lagen sechs Monate. Mithilfe von DNA-Analysen ließ sich verfolgen, wie sich die Keimzahlen jeder einzelnen Bakterienspezies veränderten. Die erste Therapie führte dazu, dass sich die Populationsdichte von bis zu 50 Prozent aller Keimarten in wenigen Tagen stark verringerte. Einige Spezies wurden sogar völlig ausgelöscht. Eine Woche später war die ursprüngliche Zusammensetzung der Darmflora bei zwei Personen fast wieder hergestellt. Bei der dritten Frau blieb sie dauerhaft verändert. Der zweite Einsatz des Antibiotikums nach sechs Monaten hatte wesentlich gravierendere Folgen: Bei allen Probandinnen unterschied sich das Spektrum der Darmkeime auch zwei Monate später noch deutlich vom Ausgangszustand.

Das bakterielle Ökosystem im Darm ist in der Lage, kleinere Störungen zu tolerieren und nach vorübergehenden Schwankungen wieder in einen individuellen Normalzustand zurückzukehren. Eine wiederholte Behandlung mit einem breit wirkenden Antibiotikum stellt aber offenbar einen so massiven Eingriff dar, dass diese Selbstregulation versagt und dauerhafte Schäden zurückbleiben können. Erst mit einer zeitlichen Verzögerung seien dann auch klinische Symptome zu erwarten, so Relman. Möglicherweise ließen sich solche Folgen mit probiotischen Bakterien und einer speziellen Ernährung verhindern oder rückgängig machen. Ciprofloxacin wird unter anderem bei Darm- und Harnwegsinfektionen eingesetzt und wirkt insbesondere auf gramnegative Bakterien wie E. coli, Salmonellen oder Pseudomonaden.

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Quelle: "Incomplete recovery and individualized responses of the human distal gut microbiota to repeated antibiotic perturbation", Les Dethlefsen, David A. Relman; Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), Online-Publikation, http://www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1000087107


 

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