Anti-Aphrodisiakum bremst Käfer-Sex

Die Weibchen des Schwarzhörnigen Totengräbers setzen während der Brutpflege ein Pheromon frei, das die sexuelle Aktivität des Männchens hemmt
Schwarzhörniger Totengräber (Nicrophorus vespilloides) füttert seine Larven auf einem Mauskadaver.
Schwarzhörniger Totengräber (Nicrophorus vespilloides) füttert seine Larven auf einem Mauskadaver.
© Heiko Bellmann
Ulm - Brutpflege gibt es auch bei Insekten. So füttern zum Beispiel Totengräber ein paar Tage lang ihre frisch geschlüpften Larven. In dieser Zeit verstärkt der weibliche Käfer die Produktion eines Hormons, das die Eiablage unterdrückt. Gleichzeitig sorgt ein freigesetztes Pheromon dafür, dass das Männchen die Lust am Sex verliert, berichten deutsche Biologen im Fachblatt „Nature Communications”. Das Anti-Aphrodisiakum signalisiert dem Männchen die vorübergehende Unfruchtbarkeit der Partnerin. So können beide Eltern mehr Zeit und Energie für das Füttern der Brut einsetzen, bevor sie weiteren Nachwuchs zeugen.

„Während bei vielen Säugetierarten die Weibchen die Phase ihrer Fruchtbarkeit anzeigen, signalisieren weibliche Totengräberkäfer ihre Unfruchtbarkeit während der Zeit intensiver elterlicher Fürsorge“, schreiben die Forscher um Sandra Steiger von der Universität Ulm. Tiere, die ihren Nachwuchs füttern und dadurch dessen Überlebenschancen verbessern, verzichten in dieser Situation auf die Produktion weiterer Nachkommen. Welche Regulationsmechanismen im Körper dabei ablaufen, haben die Ulmer Biologen am Beispiel des auch in Deutschland heimischen Schwarzhörnigen Totengräbers (Nicrophorus vespilloides) untersucht. Diese Aaskäfer legen ihre Eier in Kadaver kleiner Wirbeltiere ab. Nach dem Schlüpfen lassen sich die Maden etwa drei Tage lang von beiden Eltern mit vorverdautem Aas füttern. Danach ernähren sie sich selbstständig weiter. Während der Zeit der Brutpflege sinkt die Kopulationsrate des Männchens und das Weibchen legt keine weiteren Eier ab.

Die Forscher konnten nun nachweisen, dass das Weibchen in dieser Phase verstärkt das sogenannte Juvenilhormon III (JH-III) produziert, das die Eireifung verhindert. Wie weitere Experimente zeigten, war diese Hormonwirkung abhängig vom Kontakt Larven, die sich noch nicht selbst versorgen können. Die Biologen vermuten, dass das Betteln der jungen Larven um Nahrung – ein Verhalten, bei dem sie die Mundregion des Weibchens berühren – die Produktion des Hormons stimuliert. Das sei damit vergleichbar, dass bei weiblichen Säugetieren das Saugen der Jungen die Bildung des Hormons Prolaktin anregt, das ebenfalls die Eireifung hemmt. Aber möglicherweise setzen frisch geschlüpfte Larven auch ein Pheromon frei, worauf das Weibchen reagiert.

Gleichzeitig mit dem Anstieg des Hormonspiegels erzeugen die Weibchen eine leicht flüchtige Substanz – das Pheromon Methyl-Geranat. Die bei der Produktion ablaufenden Stoffwechselreaktionen entsprechen zum großen Teil denen bei der Bildung des Hormons JH-III, fanden die Forscher heraus. Diese Kopplung stellt sicher, dass das Pheromon nur dann freigesetzt wird, wenn der Hormonspiegel steigt und das Weibchen unfruchtbar wird. In Versuchen mit synthetisch hergestelltem Pheromon bestätigte sich, dass dieser Signalstoff auf das Männchen wie ein Anti-Aphrodisiakum wirkt: Es verringert die Häufigkeit seiner Begattungsversuche. Der jetzt entdeckte Mechanismus erklärt die wechselnde sexuelle Aktivität des Männchens: Es beginnt mit hoher Kopulationsrate, die nach dem Schlüpfen der ersten Brut sinkt, um dann wieder anzusteigen, wenn sich die Larven selbstständig ernähren können. Insgesamt sorgt die durch Hormon und Pheromon bewirkte Kontrolle von sexueller Aktivität und Brutpflege der Käfer für eine optimale biologische Fitness von Eltern und ihrer Brut.

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