Alpträume: Wie Schlaflosigkeit das Selbstmordrisiko beeinflusst

Menschen mit depressiven Störungen leiden offenbar unter einer extremen Form von Hoffnungslosigkeit, bedingt durch schlaflose Nächte
Bei Schlaflosigkeit verschmelzen Tag und Nacht miteinander
Bei Schlaflosigkeit verschmelzen Tag und Nacht miteinander
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Winston-Salem (USA) - Durchwachte Nächte, schlechte Träume, flacher Schlaf – Menschen mit Depressionen leiden häufig unter Schlafproblemen. Sind sie schwerwiegend, können diese Indizien des seelischen Ungleichgewichts auch ein Alarmsignal für einen bevorstehenden Selbstmordversuch sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie amerikanischer Forscher, die den Zusammenhang zwischen dem nächtlichen Wachen und suizidalen Gedanken bei Patienten mit depressiven Symptomen untersucht haben. Die Autoren konnten erstmals nachweisen, dass es eine direkte Verbindung zwischen der Intensität der Schlafprobleme und dem Risiko eines Suizidversuchs gibt. Wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Journal of Clinical Sleep Medicine“ berichten, könnte die gezielte Behandlung von Schlafproblemen darum das Selbstmordrisiko senken und somit Leben retten.

„Schlafprobleme und schlechte Träume, die oft Hand in Hand gehen, sind schön länger als Risikofaktoren für Selbstmordgedanken bekannt“, sagt W. Vaughn McCall von der Georgia Regents University. Wie Insomnie die depressiven Gedanken beeinflusst, sei bisher jedoch nicht bekannt gewesen, so der Psychiater. Seine Untersuchung zeigt nun, dass viele Patienten im Zuge der Schlafprobleme Wahrnehmungsverzerrungen aufweisen, die zu einer stark pessimistischen Sicht führen. Oft hätten die Aussagen der Betroffenen einen Beigeschmack der Hoffnungslosigkeit, so McCall und seine Kollegen. Typisch sei beispielsweise die Meinung, dass eine Nacht mit zu wenig Schlaf den Schlaf der ganzen folgenden Woche durcheinander bringen werde. „Diese Art der Niedergeschlagenheit beeinflusst einen Menschen völlig unabhängig von anderen entmutigenden Faktoren, die beispielsweise die persönlichen Beziehungen oder die Karriere betreffen“, schreiben die Autoren.

Sie untersuchten für ihre Studie 50 Patienten mit Depressionen im Alter zwischen 20 und 84 Jahren. 56 Prozent von ihnen hatten schon mindestens ein Mal einen Selbstmordversuch begangen. Um den mentalen Zustand ihrer Probanden objektiv zu beurteilen, nutzen die Forscher psychometrische Testverfahren: Per Fragebogen ermittelten sie die Stärke der Depression, den Grad der Hoffnungslosigkeit, die Intensität der Schlaflosigkeit sowie die Häufigkeit von Albträumen. Dabei zeigte sich, dass Schlaflosigkeit nächtliche zerrüttete Gedanken und schlechte Träume bei allen Probanden mit ausgeprägten suizidalen Gedanken in Verbindung standen. Besonders auffällig waren aber die Parallelen zwischen dem Selbstmordrisiko der Patienten und ihrer pessimistischen Grundhaltung gegenüber dem Schlaf.

„Offenbar führt Schlaflosigkeit zu einer ganz bestimmten Art von Hoffnungslosigkeit, und diese ist ein erstzunehmender Vorbote des Selbstmords“, sagt McCall. Damit sei eine neue Methode erschlossen, suizidale Gedanken vorherzusagen. Es müsse nun abgewogen werden, inwiefern eine aggressivere Behandlung von Schlaflosigkeit gerechtfertigt sei, wenn das Risiko von Selbstmord bestehe, so der Forscher.

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