Abwehr von Erregern mit Tarnmantel

Im Darm produzierte Zucker bindende Proteine töten Krankheitserreger ab, welche Zuckerketten menschlicher Blutzellen auf der Zelloberfläche tragen
Atlanta (USA) - Einige Krankheitserreger tarnen sich mit Oberflächenstrukturen, die denen menschlicher Zellen ähneln, so dass sie vom Immunsystem nicht erkannt werden. Jetzt haben amerikanische Forscher entdeckt, dass Darmzellen Bindeproteine produzieren, so genannte Lektine, die speziell solche Mikroben erkennen und töten. Zwei dieser Lektine koppelten an die gleichen Ketten von Zuckermolekülen an der Oberfläche von Zellen, die auch für rote Blutkörperchen der Blutgruppen A und B typisch sind. E. coli-Bakterien mit solchen Strukturen wurden dadurch sehr schnell abgetötet. Noch ist nicht bekannt, welchen Einfluss diese Form der angeborenen Immunabwehr auf die Zusammensetzung der Darmflora und die Anfälligkeit für Darmkrankheiten hat, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal "Nature Medicine".

"Das ist wie ein Spezialtrupp von Soldaten, deren einzige Aufgabe darin besteht, feindliche Soldaten aufzuspüren, die die Uniform der eigenen Leute tragen", sagt Richard Cummings von der Emory University in Atlanta. Sein Forschungsteam untersuchte, wie der Körper E. coli-Bakterien vom Typ O86 abwehrt. Diese Bakterien tragen an ihrer Oberfläche die gleichen Ketten von Zuckermolekülen wie die roten Blutkörperchen von Menschen der Blutgruppe B. Diese Menschen bilden keine Antikörper gegen solche Molekülstrukturen, da sonst die eigenen Blutzellen angegriffen würden. Trotzdem wird eine Infektion mit E. coli O86 abgewehrt.

Die Abwehr erfolgt aber nicht durch Antikörper, sondern durch Kohlenhydrat bindende Lektine, stellten die Forscher fest. Sie konnten nachweisen, dass die von Darmzellen produzierten Lektine Galektin-4 und Galektin-8 Zuckerketten binden, die für Blutzellen der Blutgruppen A und B typisch sind. Im Elektronenmikroskop beobachteten sie, wie eines dieser Galektine die Zellhülle von E. coli O86 innerhalb weniger Minuten zerstört. Warum die Galektine nicht auch rote Blutkörperchen angreifen, wird noch untersucht.

Die Forschungsergebnisse könnten erklären helfen, warum es überhaupt verschiedene Blutgruppen gibt: Das erschwert zumindest die Entwicklung von Erregern, die gegen alle Menschen gleichermaßen infektiös sind. So ist bekannt, dass die Anfälligkeit für Infektionen durch bestimmte Erreger von der Blutgruppe abhängt. Die Forscher wollen nun zum einen untersuchen, ob die Galektine das Artenspektrum der Darmkeime kontrollieren. Zum anderen lassen sich vielleicht chemisch veränderte Galektine auch als neuartige antimikrobielle Wirkstoffe gegen spezielle Erreger einsetzen.

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Quelle: "Innate immune lectins kill bacteria expressing blood group antigen", Sean R. Stowell et al.; Nature Medicine, Online-Publikation, DOI: 10.1038/nm.2103


 

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