02. November 2009

Im Druck

Der Kuss des Schnabeltiers

und 60 weitere irrwitzige Geschichten aus Natur und Wissenschaft


von Joachim Czichos

Lustige Tiergeschichten sucht man in diesem Buch vergebens. Titel und Umschlagbild könnten da leicht falsche Erwartungen wecken. So geht es im Beitrag über das Schnabeltier zwar um das ungewöhnliche Sexualleben des Eier legenden Säugetiers, das über zehn Geschlechtschromosomen und zahlreiche Pheromone verfügt. Der Schwerpunkt liegt aber auch hier, wie in den meisten Beiträgen, auf der molekularen Ebene. Menschen, Tiere, Pflanzen oder Bakterien spielen nur selten die Hauptrolle.

Als ehemals in der Forschung tätiger Biochemiker schreibt Michael Groß am liebsten über Proteine, Nukleinsäuren, Stoffwechselreaktionen und Nanotechnik. Er greift Forschungsergebnisse auf, die oft wenig bekannt, doch dafür umso erstaunlicher sind. 61 seiner Lieblingsgeschichten aus 15-jähriger journalistischer Tätigkeit hat er in diesem Buch zusammengestellt, unterteilt in die drei Kapitel "Crazy!", "Sexy!" und "Cool!". Dabei enthält das Kapitel "Cool!" nicht nur Geschichten über Kälterezeptoren oder Kälteschockproteine, sondern auch über absolut coole Entwicklungen wie elektronisches Papier, mit Nanodraht verkabelte Nervenzellen oder die Herstellung bärenstarker Spinnenseide.

Ein gewisses Maß an naturwissenschaftlichem – hauptsächlich biochemischem – Grundwissen sollte der Leser allerdings schon mitbringen. Formulierungen wie "Diese Indolphenolgruppe trägt zur Koordination eines Zinkions bei" sind aber eher die Ausnahme. Die meisten Texte sind allgemeinverständlich und gut lesbar, auch wenn es um so Sonderbares wie Proteine geht, die verknotet, extrem stabil, selbstspleißend, blau oder süß (schmeckend) sind. Unterschiedliche Aspekte der DNA sind ein weiteres, häufig wiederkehrendes Thema. Da geht es um Genomvergleiche zwischen Neandertaler, Mensch und Schimpanse oder Tiefseebakterien und Durchfallerregern, über Sequenzierungsmethoden, genomische Prägung und Genaustausch zwischen Bakterien. Und man erfährt, was Nanotechnologen mit der DNA alles anstellen: So handelt ein Beitrag von speziell konstruierten DNA-Molekülen, die, als Sensoren eingesetzt, Genaktivitäten messen oder Mutationen erkennen und dabei die elektrische Leitfähigkeit der Doppelhelix ausnutzen.

Die jeweils zwei- bis siebenseitigen Texte beruhen oft auf Originalartikeln aus "Science" oder "Nature", die am Ende des Beitrags zitiert sind. Unter der Überschrift "Was danach geschah" bringt ein teils knapper, teils mehrseitiger Anhang das Thema auf den neuesten Stand.

Eine unterhaltsame, abwechslungsreiche und nicht ganz anspruchslose Lektüre für naturwissenschaftlich interessierte Leser.

Michael Groß: Der Kuss des Schnabeltiers, Wiley-VCH Verlag, Weinheim, 2009, 273 S., ISBN 978-3-527-32490-3, 24,90 Euro


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