Zweisprachigkeit wird bereits im Mutterleib gefördert

Neugeborene, deren Mütter in der Schwangerschaft ständig zwei Sprachen gesprochen haben, zeigen bereits nach der Geburt größere Aufmerksamkeit für diese zwei Sprachen
Vancouver (Kanada) - Schon während der Schwangerschaft kann eine Frau etwas für die künftige zweisprachige Erziehung ihres Kindes tun: möglichst viel in beiden Sprachen sprechen. Dann unterscheiden die Neugeborenen auch bereits in den ersten Lebenstagen beide Sprachen und wenden ihnen mehr Aufmerksamkeit zu. Dies haben jetzt kanadische Forscherinnen durch spezielle Aufmerksamkeitstests herausgefunden, die sie in der Fachzeitschrift "Psychological Science" beschreiben. Diese Forschungsergebnisse belegen, dass Zweisprachigkeit schon viel früher entstehen kann als bisher angenommen.

Das Team um Janet Werker von der University of British Columbia hat das Aufmerksamkeitsverhalten der Neugeborenen von einsprachig englischen Müttern und zweisprachigen Müttern verglichen. Die zweisprachigen Mütter sprachen Englisch und Tagalog, eine austronesische Sprache, die auf den Philippinen gesprochen wird. Die Kinder der einsprachigen Mütter hatten im Mutterleib ihre Mutter nur Englisch sprechen hören. Die zweisprachigen Mütter hingegen hatten während der Schwangerschaft mit den Menschen ihrer Umgebung sowohl Tagalog als auch Englisch gesprochen.

Um die Aufmerksamkeit der Neugeborenen für die Sprachen zu testen, bedienten sich die Forscherinnen der so genannten "High-Amplitude-Sucking"-Prozedur (HAS). Hierbei werden Säuglinge in eine halbliegende Position gebracht und können an einem Schnuller saugen, der mit einem Druck-Wandler verbunden ist, der wiederum an einen Computer angeschlossen ist. So kann die Saugrate gemessen werden. Die Saugrate gilt als Indiz dafür, wie sehr ein Reiz von einem Säugling wahrgenommen wird.

Es zeigte sich, dass die Neugeborenen der einsprachigen Mütter tatsächlich nur dann eine höhere Saugrate hatten, wenn der Sprach-Stimulus englischsprachig war. Die Neugeborenen der zweisprachigen Mütter reagierten hingegen mit ihrer Saugrate gleichermaßen stark auf den Tagalog- und den Englisch-Reiz.

Die Forscherinnen untersuchten auch, ob die Neugeborenen eindeutig zwischen zwei Sprachen unterscheiden können. Hierfür sprachen die Forscherinnen den Neugeborenen so lange Sätze in einer Sprache vor, bis sie das Interesse daran verloren. Anschließend hörten die Neugeborenen entweder Sätze in der anderen Sprache oder Sätze in der gleichen Sprache, die aber von einer anderen Person gesprochen wurden. Die Sätze, die in der gleichen Sprache, aber von einem anderen Sprecher gesprochen wurden, interessierten die Säuglinge nicht. Dagegen stieg ihre Aufmerksamkeit wieder, wenn sie Sätze einer anderen Sprache hörten. Dies gilt als deutliches Indiz dafür, dass schon Säuglinge klar zwischen verschiedenen - zumindest sehr verschiedenen Sprachen wie Englisch und Tagalog - unterscheiden können. Insgesamt zeigen die Forschungsergebnisse, dass Zweisprachigkeit deutlich eher entstehen kann als bisher angenommen.

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Quelle: "The Roots of Bilingualism in Newborns", Krista Byers-Heinlein, Tracey C. Burns, Janet F. Werker; Psychological Science, online veröffentlicht am 29.01.2010, doi:10.1177/0956797609360758


 

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