Zur Hälfte Transvestit: Tintenfische mit zwei Gesichtern

Beim Werben um ein Weibchen täuschen die Kopffüßer einem Konkurrenten ein weiteres Weibchen vor
Das Männchen (M) präsentiert dem Weibchen (W) ein anderes Muster als einem potenziellen Angreifer (A).
Das Männchen (M) präsentiert dem Weibchen (W) ein anderes Muster als einem potenziellen Angreifer (A).
© Culum Brown
Sydney (Australien) - Manche Tintenfischmännchen zeigen bei der Brautwerbung zwei Gesichter und führen mögliche Rivalen so besonders clever hinters Licht: Mit ihrer einen Körperhälfte gaukeln sie einem Konkurrenten die typische Farbgebung eines Weibchens vor. Gleichzeitig aber buhlen sie mit der anderen Körperhälfte beim anwesenden Weibchen um Aufmerksamkeit, indem sie der Angebeteten für die Paarung charakteristische männliche Muster präsentieren. Die Täuschung schützt die Männchen vor dem Eingreifen des Artgenossens während der Werbung um das Weibchen. Die Weichtiere nutzen dies allerdings nur in einer ganz bestimmten Situation – dann, wenn nur ein einzelnes Weibchen und ein einzelner Rivale anwesend sind, berichten australische Biologen im Fachblatt „Biology Letters“. So gehen die Kopffüßer relativ sicher, dass ihr Betrug nicht auffliegt. Und ihre Rechnung geht auf. In zwei Fällen konnten die Forscher eine erfolgreiche Begattung des Weibchens beobachten.

„Diese Beobachtungen legen nahe, dass Tintenfische komplexe Wahrnehmungsfähigkeiten haben: Sie erkennen, wenn nur ein Rivale anwesend ist, und entscheiden sich nur dann dafür, das Täuschungsmanöver anzuwenden“, schreiben Culum Brown von der Macquarie University in Sydney und seine Kollegen. Wenn sie mehr als einen Konkurrenten bemerken, könnten Männchen in der Werbung vielleicht deshalb von dieser Zurschaustellung Abstand nehmen, weil dann eine hohe Wahrscheinlichkeit bestünde, dass ihre Täuschung entdeckt würde. Die Taktik würde dann fehlschlagen und die Tiere von größeren Männchen malträtiert werden. „Außerdem müssen sie sich selbst in der Anwesenheit nur eines einzelnen Rivalen ganz akkurat zwischen dem Weibchen und dem Rivalen orientieren, damit die Täuschungstaktik effektiv sein kann“, erläutern die Biologen.

Über einen Zeitraum von mehreren Jahren und an verschiedenen Orten im Hafen von Sydney hatten Brown und seine Kollegen Tintenfische der bei Australien vorkommenden Art Sepia plangon in freier Wildbahn beobachtet. Diese Feldstudien ergänzten sie durch Untersuchungen in einem großen Aquarium. Anhand von Fotografien, auf denen beide Seiten der Tiere zu sehen waren, werteten die Forscher aus, wie häufig und unter welchen Umständen die Männchen gleichzeitig zwei Färbungsmuster präsentieren. Sie stellten fest, dass dieses Verhalten nur in der ganz speziellen sozialen Konstellation mit einem Weibchen und einem anderen Männchen vorkam und auch dann nur in 39 Prozent der beobachteten Fälle. Beobachtungen im Aquarium bestätigten, dass das Täuschungsmanöver – wenn auch nur selten angewandt – von Erfolg gekrönt ist: In zwei Fällen gelang es den Männchen mit dieser Taktik, ihre Spermienpakete auf das Weibchen zu übertragen.

Tintenfische sind bekannt für ihr rasches Wandlungsvermögen, was ihre Farbgebung und Muster angeht. Diese Fähigkeit setzen sie zum Beispiel auch ein, um Beutetiere zu überraschen oder sich vor Räubern zu verstecken.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: „It pays to cheat: tactical deception in a cephalopod social signalling system”, Culum Brown et al.; Biology Letters, DOI:10.1098/rsbl.2012.0435


 

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