Zu viel Lob im Elternhaus: Wie Narzissmus entsteht

Wer sein Kind überschätzt, begünstigt die Entwicklung einer narzisstischen Persönlichkeit – emotionale Wärme dagegen stärkt das Selbstwertgefühl
Narzissten glauben, sie sind einfach besser als andere.
Narzissten glauben, sie sind einfach besser als andere.
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Amsterdam (Niederlande) - Narzisstische Menschen halten sich für etwas ganz Besonderes und erwarten von anderen entsprechende Beachtung und Anerkennung. Ist diese Eigenschaft sehr stark ausgeprägt, spricht man von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Niederländische Psychologen haben jetzt untersucht, wie das Verhältnis von Eltern zu ihrem Kind die Entwicklung narzisstischer Merkmale beeinflusst. Kinder, die von den Eltern überschätzt wurden, entwickelten im Verlauf der Studie eher narzisstische Eigenschaften als andere. Dagegen hatten Kinder, die von ihren Vätern und Müttern besonders warmherzige Zuneigung erfuhren, ein stärkeres Selbstwertgefühl, berichten die Forscher im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)”. Eltern sollten also Lob und Anerkennung so vermitteln, dass das Kind nicht glaubt, von anderen Kindern bewundert werden zu müssen.

„Menschen mit starkem Selbstwertgefühl halten sich für genauso gut wie andere, während Narzissten glauben, sie seien besser als andere“, sagt Brad Bushman von der Universiteit van Amsterdam. In der guten Absicht, das Selbstwertgefühl ihres Kindes zu stärken, überschütten es manche Eltern mit Lob. Diese Überbewertung erzeugt beim Kind die Einstellung, etwas ganz Besonderes zu sein und begünstigt die Entwicklung einer narzisstischen Persönlichkeit. Das bestätigten die Ergebnisse der ersten prospektiven Studie dieser Art. Sie widersprechen einer anderen Theorie, wonach ein Mangel an emotionaler Wärme im Elternhaus eine Ursache für Narzissmus ist.

An der Untersuchung beteiligten sich 565 Kinder im Alter zwischen sieben und elf Jahren. In dieser Lebensphase lassen sich narzisstische Merkmale erstmals erkennen. Über einen Zeitraum von 1,5 Jahren beantworteten die Kinder und deren Eltern insgesamt viermal im Abstand von jeweils sechs Monaten standardisierte Fragen, deren Antworten Rückschlüsse auf das Ausmaß von Narzissmus und Selbstwertgefühl der Kinder, die emotionale Wärme der Eltern sowie die Überschätzung der Kinder durch die Eltern erlaubten. Die Probanden sollten beispielsweise angeben, ob Aussagen wie die folgenden zutreffen oder nicht: „Kinder wie ich haben Anspruch auf etwas Besonderes.“ (Narzissmus), „Manche Kinder mögen sich so, wie sie sind.“ (Selbstwertgefühl), „Mein Kind ist ein großes Vorbild, dem andere Kinder folgen sollten.“ (elterliche Überbewertung), „Ich lasse mein Kind spüren, dass ich es liebe.“ und „Meine Eltern lassen mich spüren, dass sie mich lieben.“ (elterliche Wärme).

Wenn Eltern bei der Erstbefragung ihr Kind überschätzten, ergaben sich in den späteren Fragerunden erhöhte Narzissmuswerte für das Kind – aber die Werte für das Selbstwertgefühl erhöhten sich nicht. Bei besonders warmherzigen Eltern nahm das Selbstwertgefühl der Kinder zu, auf den Narzissmus dagegen hatte das keinen Einfluss. Auch wenn die Forscher das Ausmaß des Narzissmus der Eltern berücksichtigten, blieben diese Zusammenhänge bestehen. Kinder werden demnach nicht einfach deshalb narzisstisch, weil ihre Eltern es auch sind. Die Überschätzung des Kindes durch die Eltern ist natürlich nicht die alleinige Ursache dieses Persönlichkeitsmerkmals. Auch die Gene spielen eine Rolle und entscheiden mit darüber, wie leicht sich narzisstisches Verhalten durch übermäßige Wertschätzung entwickelt. Bliebe als Ratschlag: Eltern sollen ihr Kind loben und sich mit ihm über Leistungen und Erfolge freuen – dabei aber auf dem Teppich bleiben.

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