Zeitungslektüre wird auf persönliche Problemlage abgestimmt

Je emotionaler ein persönliches Problem ist, desto weniger will man darüber in Zeitungen oder Zeitschriften lesen. Ist hingegen nicht direkt die eigene Psyche betroffen, sucht man gern Aufklärung oder Hilfe in der Presse
Über manche Probleme könnte man stapelweise Zeitungsberichte lesen. Themen, die einen persönlich sehr berühren, möchte man dagegen nicht in der Zeitung lesen.
Über manche Probleme könnte man stapelweise Zeitungsberichte lesen. Themen, die einen persönlich sehr berühren, möchte man dagegen nicht in der Zeitung lesen.
© Doris Marszk
Columbus (USA)/Erfurt - Wer gerade von Freund oder Freundin verlassen wurde, möchte nichts über Liebesglück und auch nicht über Liebesleid lesen. Hat sich jemand dagegen an der Börse verspekuliert oder steht aus anderen Gründen vor finanziellen Problemen, greift er gern zu Informationen in der Presse. Diesen Unterschied haben jetzt deutsche Forscher aus den USA und Deutschland in Experimenten herausarbeiten können, die sie in der Fachzeitschrift "Communication Research" beschreiben.

"Die Menschen möchten es vermeiden, über Themen zu lesen, die bei ihnen unangenehme Gefühle oder Gedanken wecken", erklärt Silvia Knobloch-Westerwick von der University of Ohio. "Aber die Menschen suchen durchaus Informationen, durch die sie Lösungen für Probleme finden, die weniger persönlich sind." Knobloch-Westerwick hat zusammen mit Kollegen aus Erfurt und Weimar bei 287 deutschen Studierenden ihre Zeitungs- und Zeitschriftenlektüre und ihre gegenwärtige Problemlage untersucht. Den Versuchsteilnehmern sagten die Forscher, dass sie an zwei Studien teilnähmen, die angeblich nichts miteinander zu tun hätten. In der ersten Studie befragten die Forscher die Probanden nach ihrer Zufriedenheit mit verschiedenen Lebensumständen wie Beziehungen, Gesundheit, Ausbildung und Finanzen. In der zweiten Studie bekamen die Versuchsteilnehmer die Möglichkeit, am Computer ein Nachrichtenmagazin zu lesen, das in zehn Rubriken aufgeteilt war. Fünf dieser Rubriken entsprachen den Lebensbereichen, zu denen die Studenten vorher befragt worden waren. Man sagte ihnen, dass sie lesen könnten, was sie wollten, sie aber einen zeitlichen Rahmen hätten und die Ausgabe des Magazins nicht würden durchlesen können. Im Computer befand sich eine Software, die - ohne Wissen der Versuchsteilnehmer - aufzeichnete, welche Rubriken die Versuchsteilnehmer lasen und wie lange sie jeweils dabei verweilten.

Jene Versuchsteilnehmer, die im vorherigen Fragebogen direkt oder indirekt offenbart hatten, dass sie gerade ein Beziehungsproblem mit sich herum schleppten, mieden die "Psycho-Seiten" des Magazins, in denen es um Liebe, Flirts und Schmetterlinge im Bauch ging. Diejenigen Probanden aber, die ein Problem mit ihrem Studium und/oder den späteren Karrieremöglichkeiten hatten, lasen begierig Artikel über Karriereaussichten oder erfolgreiche Bewerbungsstrategien. Wer also ein Problem hat, das einen nicht unmittelbar seelisch berührt, so schließen die Forscher aus ihren Beobachtungen, holt sich gern Informationen und Rat aus der Presse. Doch bei sehr persönlichen Problemen will man sich die Wunden durch eine Lektüre über diese Probleme nicht noch mehr aufreißen lassen.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "Coping or Escaping?: Effects of Life Dissatisfaction on Selective Exposure", Silvia Knobloch-Westerwick, Matthias R. Hastall, Maik Rossmann; Communication Research, Apr 2009; Vol. 36: S. 207 - 228


 

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