Zahlwörter einer untergegangenen Sprache aus dem Inka-Reich aufgetaucht

Vor 400 Jahren hat ein Spanier in Peru auf der Rückseite eines Briefes einige Zahlwörter aus einer unbekannten Sprache festgehalten. Jetzt ist der Zettel bei Grabungen entdeckt worden und Forscher versuchen zu ermitteln, um was für eine Sprache es sich gehandelt haben könnte
Die bisher einzige Spur einer untergegangenen Sprache aus dem alten Inka-Reich
Die bisher einzige Spur einer untergegangenen Sprache aus dem alten Inka-Reich
© Jeffrey Quilter
Cambridge (USA) - Ein Zettel aus dem 17. Jahrhundert, von unbekannter Hand mit Zahlwörtern aus einer unbekannten Sprache beschrieben, ist bei archäologischen Grabungsarbeiten in Nord-Peru entdeckt worden. Die Sprache kann keiner heute noch gesprochenen Sprache und auch keiner bereits bekannten untergegangenen Sprache zugeordnet werden. Dies hat ein internationales Forscherteam unter Leitung eines Archäologen von der Harvard University bereits festgestellt und zusammen mit weiteren Erkenntnissen in der Fachzeitschrift "American Anthropologist" dargelegt.

"Das ist ein kleines Stück Papier, das eine große Geschichte zu erzählen hat", sagt Jeffrey Quilter vom Peabody Museum der Harvard University. "Der Fund ist bedeutsam, weil er einen ersten Blick auf eine bisher unbekannte Sprache und sein Zahlensystem bietet. Er deutet auch auf die große Vielfältigkeit von Perus Erbe hin. Die Interaktion zwischen den Einheimischen und den Spaniern war weit komplexer als bisher angenommen."

Die Liste mit den Zahlwörtern befindet sich auf der Rückseite des Briefes an einen spanischen Priesters. Die Handschriften des Briefschreibers und des Schreibers der unbekannten Zahlwörter sind nicht identisch, stammen aber aus der gleichen Zeit, dem frühen 17. Jahrhundert. Zu dieser Zeit waren die Spanier in Peru immer noch dabei, die einheimische Bevölkerung zu unterwerfen. Um die Bevölkerung unter Kontrolle zu halten, richteten sie so genannte "reducciones" ein, kleine Städte im spanischen Stil, in denen sie die Einheimischen zwangsweise ansiedelten, um sie gezielt zu "zivilisieren" und zu christianisieren. Santa Maria Magdalena de Cao im heutigen Nord-Peru, wo der rätselhafte Zettel gefunden wurde, ist solch eine "reducción". Im späten 17. oder frühen 18. Jahrhundert wurde die Siedlung aus noch nicht geklärten Gründen aufgegeben. Das Papierstück hat unter den Ruinen aus Lehmziegeln die Jahrhunderte weitgehend unversehrt überdauert.

Derjenige, der die Zahlwörter notiert hat, ist sehr systematisch vorgegangen: Er hat zunächst die spanischen Wörter der ersten Grundzahlen ausgeschrieben ("uno", "dos", "tres") und dann in arabischen Zahlen 4 bis 10 sowie 21, 30, 100 und 200 notiert und die Zahlwörter der unbekannten Sprache daneben geschrieben. Diese Vorgehensweise deutet auf einen gebildeten Schreiber hin - vermutlich war es der Priester, an den der umseitige Brief gerichtet war -, denn eine solche Aufstellung ist auch die übliche in Sprachlehrbüchern. Außerdem legen die exotischen Zahlwörter die Vermutung nahe, dass sie aus einer Kultur stammen, die auch das Dezimalsystem verwendete, da sich Wörter im Einer-, Zehner- und Hunderterbereich wiederholen: 1 - chari, 2 - marian, 3 - apar, 4 - tau, 5 - himic, 6 - sut, 7 - canchen, 8 - mata, 9 - yucan, 10 - bencor, 21 - maribencor chari tayac, 30 - apar bencor, 100 - chari pachac, - mari pachac.

Um welche Sprache es sich aber handelt, ist nicht geklärt. Aussichtsreiche Kandidaten wären Quingnam und Pescadora, die vermutlich in dieser Region gesprochen wurden und von denen die Wissenschaft bisher keinerlei Sprachdenkmäler hat.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "Traces of a Lost Language and Number System Discovered on the North Coast of Peru", Jeffrey Quilter, Juan Castañeda Murga, et al.; American Anthropologist, September 2010, Vol 112, Issue 3, S. 357-369. DOI: 10.1111/j.1548-1433.2010.01245.x


 

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