Worauf der Kuckuck beim Eierlegen guckt

Physikalisch gemessen: Die Brutparasiten wählen bevorzugt Gelege mit größerer farblicher Ähnlichkeit zu den eigenen Eiern
Ein Kuckuckskind wächst den unfreiwilligen Adoptiveltern irgendwann über den Kopf.
Ein Kuckuckskind wächst den unfreiwilligen Adoptiveltern irgendwann über den Kopf.
© Marcel Honza
Brünn (Tschechien) - Kuckucksweibchen scheinen ihre Eier bevorzugt in Nester mit Eiern zu legen, die den eigenen ähnlich sehen. Dabei spielt vor allem die Färbung eine zentrale Rolle, haben tschechische Biologen nun detailliert in freier Wildbahn messen können: Farbunabhängige – sogenannte achromatische – Charakteristika der Eier sind bei der Suche nach einem möglichst passenden Wirtsnest offenbar nicht von Bedeutung. Was aber die farblichen, also die sogenannten chromatischen Charakteristika betrifft, passen die Kuckuckseier besonders gut zu den Eiern des Wirtsgeleges. Selbst innerhalb einer einzelnen Wirtsart kann das Aussehen der Eier von Gelege zu Gelege stark variieren. Mit ihrer Auswahlstrategie verringert der Kuckuck effektiv die Wahrscheinlichkeit, dass die Fremdeier vom unfreiwilligen Wirt entdeckt und aus dem Nest geworfen werden, berichten die Forscher im Fachblatt „Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences”.

„Das Hauptergebnis dieser Studie ist, dass der Kuckuck Eier nicht wahllos irgendwo innerhalb einer Wirtspopulation ablegt, sondern das Erscheinungsbild der Wirtsgelege bezüglich der Farbgegensätze aussucht“, schreiben Marcel Honza von der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik und seine Kollegen. Weibchen des Kuckucks (Cuculus canorus) suchen nach Wirtsnestern, indem sie von einem günstigen Aussichtspunkt die Nestbauaktivitäten in der Umgebung beobachten und den geeigneten Zeitpunkt für ihre Eiablage abpassen. Bisherige Untersuchungen dazu, ob die Eier dabei planlos und damit zufällig oder gezielt nach möglichst großer Ähnlichkeit in anderen Nestern platziert werden, waren zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Honza und seine Kollegen hatten nun angestrebt, die Schwächen früherer Studien zu vermeiden. Daher bezogen sie unter anderem etwa das Farbsehvermögen von Vögeln und die Lichtverhältnisse in den untersuchten Nestern in ihre Analysen ein.

In der Umgebung zweier Fischteiche in Tschechien suchten die Biologen nach Nestern von Drosselrohrsängern (Acrocephalus arundinaceus). Die meisten fanden sie noch im Bau und kontrollierten täglich, wie viele Eier das Gelege hatte. Von den 61 Gelegen wurden 39 nicht vom Kuckuck heimgesucht, 19 wurden parasitiert, bei den restlichen dreien waren sich die Forscher unsicher. Sobald sie ein Kuckucksei entdeckten, maßen die Forscher die genaue spektrale Zusammensetzung des von den einzelnen Eiern reflektierten Lichts, und zwar im Bereich zwischen 300 und 700 Nanometern. Im Prinzip bestimmten sie damit also die für Vögel sichtbare Farbgebung der Eier sowie weitere Faktoren wie etwa Helligkeitsunterschiede. Letztere wirken sich nicht nur auf die Farbe aus, sondern machen auch die achromatischen Charakteristika aus. Auch die Eier in verschonten Nester der Umgebung wurden auf diese Weise untersucht.

In ihren Analysen verglichen die Biologen, ob und wie sich die Gelege mit Kuckuckseiern von denen ohne Kuckuckseier voneinander unterschieden – etwa in Farbgebung, Sättigung und Helligkeit. Tatsächlich legten die Kuckucksweibchen ihre Eier nicht zufällig in die fremden Nester, sondern suchten gezielt farblich passende Wirtsgelege aus: Kuckuckseier in parasitierten Nestern zeigten geringere Farbunterschiede zu den Wirtseiern als jene, die die Forscher zufällig anderen Nestern zuwiesen. Auch die Eier in nicht vom Kuckuck heimgesuchten Nester in der Nähe parasitierter Nester unterschieden sich in der Farbgebung von den Kuckuckseiern in der Nachbarschaft. Achromatische Unterschiede der spektralen Charakteristika spielten dagegen keine Rolle. Da der Drosselrohrsänger offene Nester mit dementsprechend guten Lichtverhältnissen hat, erlaubt die Lichtmenge im Nest auch Farbsehen und Farbunterscheidung. Somit verlassen sich die Tiere vermutlich eher auf Farbhinweise als auf farbunabhängige Hinweise.

Das Wettrüsten des Kuckuck und den Opfern seines Brutparasitismus ist ein Paradebeispiel für eine sogenannte Coevolution. Beide Parteien passen ihre Strategien immer wieder aufs Neue einander an: Der Kuckuck ist bemüht, dass seine Eier denen des Wirts möglichst ähnlich sehen, während der Wirt anstrebt, parasitäre Eier dennoch zu erkennen und sich ihrer zu entledigen. Auf diese Weise können sich Lebensweise, Morphologie, Physiologie und Verhalten beider Arten fundamental verändern. Um den eigenen Eiern ähnliche Gelege finden zu können, muss das Kuckucksweibchen irgendwie wissen, wie die eigenen Eier überhaupt aussehen. Wann und wie genau die Vögel das lernen, ist bisher allerdings nicht eindeutig geklärt.

© Wissenschaft aktuell


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg