Wolkenphysik: Geheimnis um Tröpfchenbildung gelüftet

Atmosphärenphysiker finden neuen Bildungsprozess für Kondensationskeime aus organischen Molekülen – Hohe Relevanz für Klimamodelle
CLOUD-Experiment: In dieser Wolkenkammer untersuchen Atmosphärenphysiker die Bildung von Kondensationskeimen
CLOUD-Experiment: In dieser Wolkenkammer untersuchen Atmosphärenphysiker die Bildung von Kondensationskeimen
© CLOUD, Cern
Villigen (Schweiz)/Genf (Schweiz) - Früher schien die Sonne zwar nicht häufiger. Doch bevor die ersten Industrieschlote qualmten, sammelten sich in den Wolken weniger, dafür aber größere Tröpfchen. Diese Annahme stellen nun gleich drei neue Studien, die internationale Forschergruppen in den Fachzeitschriften „Nature“ und „Science“ veröffentlichten, in Frage. Denn schon in der vorindustriellen Zeit gab es in der Atmosphäre offenbar deutlich mehr winzige Partikel, an denen Wasserdampf zu Wolkentröpfchen kondensieren konnte, als bisher angenommen. So dienten nicht nur Staub, Salzkristalle oder Rußpartikel, sondern auch organische Moleküle, freigesetzt von Pflanzen, als natürliche Quelle für effiziente Kondensationskeime. Da Wolken mit variierender Anzahl und Größe der enthaltenen Tröpfchen Sonnenlicht mehr oder weniger gut abschirmen, spielen sie eine wesentliche Rolle für das Erdklima. Die neuen Studien könnten daher einen großen Einfluss auf Klimamodelle haben, die sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft reichen.

„Wenn das Wachstum reiner biogener Aerosol-Partikel in Klimamodellen berücksichtigt wird, sollte auch der menschliche Einfluss auf Wolken und Klima besser verstanden werden“, sagt Jasper Kirkby, Sprecher des CLOUD-Experiments am Forschungszentrum Cern. So fördern heute besonders Sulfat-Aerosole die Wolkenbildung in der Atmosphäre. Sie entstehen aus Schwefeldioxid, das beim Verfeuern fossiler Brennstoffe freigesetzt wird. Vor der Industrialisierung fehlten diese Aerosole allerdings, eine signifikant geringere Konzentration von Kondensationskeimen in der Luft schien daher plausibel. Bisher jedenfalls. Denn mit Messungen in der sauberen Höhenluft der Alpen und in der CLOUD-Wolkenkammer kamen die Atmosphärenforscher der bisher vernachlässigten, rein natürlichen Aerosol-Klasse auf die Spur. „Biogene Moleküle, kurz HOMs genannt, lieferten einen signifikanten Anteil an Partikeln insbesondere in der vorindustriellen Zeit“, sagt Joachim Curtius von der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt, der an allen drei Studien beteiligt war.

„Diese HOMs können ganz von alleine Aerosol-Partikel bilden“, sagt Curtius. Dabei wachsen die Teilchen um mehrere Nanometer pro Stunde. Haben sie Durchmesser von etwa 50 Nanometern erreicht, kondensiert an ihnen immer mehr Wasserdampf und es entstehen Wolkentröpfchen. Mit einer künstlichen Atmosphäre in der mehrere Meter hohen, zylindrischen Wolkenkammer CLOUD kam Curtius diesem Mechanismus zusammen mit seinen Kollegen aus der Schweiz, Finnland, Portugal und weiterer Staaten auf die Spur. Hier simulierten die Wolkenforscher die Sulfat-arme Luft der vorindustriellen Zeit. Dieser setzten sie das organische Molekül Alpha-Pinene zu, das von Kiefergewächsen freigesetzt werden kann und auch Bestandteil ätherischer Öle ist.

Auf die künstliche Atmosphäre lenkten die Forscher einen Strahl positiv geladener Teilchen, sogenannter Pionen, den sie mit einem Proton-Synchrotron erzeugten. Damit simulierten sie den Einfluss kosmischer Strahlung, die stetig in die Erdatmosphäre eindringt. Dieser Teilchenbeschuss brachte die organischen Moleküle dazu, sich zu etwa zwei Nanometern kleinen Partikeln zusammenzuballen. Weitere Messungen belegten, dass diese Partikel in Gegenwart flüchtiger organischer Substanzen weiter wuchsen, um effiziente Kondensationskeime zu bilden. Parallel untermauerten die Forscher diesen Mechanismus mit Computermodellen. „Diese Ergebnisse sind bislang die wichtigsten, die mir dem CLOUD-Experiment erzielt werden konnten“, sagt Kirkby.

So vielsagend Labormessungen und Computermodelle aber sein mögen, sollte ihre Gültigkeit auch in der freien Natur überprüft werden. Diese Nagelprobe folgte in 3580 Meter Höhe in der Forschungsstation auf dem Jungfraujoch in den Schweizer Alpen. In der klaren Luft mit geringen Anteilen an Staub, Ruß und Sulfaten untersuchten Curtius und Kollegen ein Jahr lang die Bildung von Kondensationskeimen. Mit Teilchenzählern und Massenspektrometer entdeckten sie an einem Fünftel der Tage, dass die natürlichen organischen HOM-Moleküle tatsächlich Kondensationskeime bildeten. „Mit dem Wissen aus dem CLOUD-Experiment wussten wir, wonach wir genau suchen sollten“, sagt Curtius. „Das zeigt, dass in der Atmosphäre der gleiche Prozess ablauft wie im Labor“, ergänzt sein Kollege Kirkby.

Curtius rechnet mit einem großen Interesse der Klimaforscher an dem neuen Mechanismus zur Wolkenbildung. Das zeigten erste Diskussionen auf Fachkonferenzen, auf denen einige Resultate bereits vor den aktuellen Veröffentlichungen kursierten. In weiteren Versuchen wollen die Atmosphärenphysiker nun genauer beziffern, wie stark der Einfluss der natürlichen organischen Moleküle im Vergleich zu Staub, Ruß und Sulfat-Aerosolen auf die Wolkenbildung früher war und heute noch ist. Diese Zahlen könnten Klimamodelle, die einerseits die Vergangenheit nachzeichnen und andererseits eine zukünftige Entwicklung aufzeigen sollen, deutlich verbessern.

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