Wirtschaftskrisen fördern Langlebigkeit

In Zeiten wirtschaftlicher Krisen oder Rezessionen sinkt die Sterblichkeitsrate. Dies scheint aber nur auf den ersten Blick völlig abwegig zu sein...
Der Börsencrash von 1929 hat eine tiefgreifende Rezession ausgelöst. Für die Gesundheit der Menschen hat sich dieses Ereignis jedoch überraschenderweise als positiv erwiesen.
Der Börsencrash von 1929 hat eine tiefgreifende Rezession ausgelöst. Für die Gesundheit der Menschen hat sich dieses Ereignis jedoch überraschenderweise als positiv erwiesen.
© Wikipedia / Public Domain
Ann Arbor (USA) - Wirtschaftskrisen schaden der Gesundheit, fördern Depressionen und führen bei den Menschen mithin schneller zum Tode - sollte man meinen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, wie jetzt amerikanische Forscher belegen. Sie haben die Sterblichkeitsraten in den Jahren 1920 bis 1940 untersucht und die Daten in Verbindung gebracht mit den wirtschaftlichen Ereignissen dieser Jahre in den USA. Im Jahr 1932, in dem der Tiefpunkt der 1929 ausgelösten Krise erreicht war, war die Lebenserwartung von 57,1 auf 63,3 Jahre gestiegen. Die Forscher erklären dies mit einem Rückgang an Berufsstress-Erkrankungen, da in den Jahren der Krise viele Menschen arbeitslos waren, wie sie in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) darlegen.

"Der Befund ist sehr stabil, ist aber auch gegen jedes Gefühl", erklärt José A. Tapia Granados von University of Michigan. "Die meisten Menschen glauben, dass Perioden mit hoher Arbeitslosigkeit sich negativ auf die Gesundheit auswirken." Für ihre Studie haben die Forscher die Lebenserwartungen und die Sterblichkeitsraten mit den wirtschaftlichen Wachstumsdaten in Zusammenhang gebracht. Dabei zeigte sich, dass in den vier Jahren der Großen Depression die allgemeine Gesundheit in der Bevölkerung zunahm. Auch in den Rezessionsjahren 1921 und 1938 verbesserte sich der allgemeine Gesundheitszustand. In den Jahren 1923, 1926, 1929 und 1936-1937, die in den USA von starkem wirtschaftlichem Wachstum gekennzeichnet waren, sank hingegen die Lebenserwartung.

Tapia Granados und seine Kollegin Ana Diez Roux haben vor allem die Haupttodesursachen in den 1930er Jahren berücksichtigt: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Grippe, Lungenentzündung, Tuberkulose und Verkehrsunfälle. Die Verbindung zwischen besserer Gesundheit und wirtschaftlich schlechter Zeiten erwies sich in allen Altersgruppen als stabil. Nur die Suizidrate nahm in Rezessionszeiten zu.

Die Befunde erklären die Forscher mit den unterschiedlichen Arbeitsbedingungen in den wirtschaftlichen Phasen: "In Zeiten wirtschaftlicher Expansion sind Unternehmen sehr stark beschäftigt und verlangen dementsprechende Anstrengungen von Seiten ihrer Angestellten", erklärt Tapia Granados. "Diese müssen Überstunden machen und oft unter Hochdruck arbeiten. Das kann Stress erzeugen, der wiederum zu einem erhöhten Alkohol- und Zigarettenkonsum führt. In Zeiten der Rezession gibt es weniger zu tun, und die Angestellten können ihr Arbeitstempo verlangsamen. Wer keine Arbeit hat oder wer in Kurzarbeit ist, hat weniger Geld und kann weniger Alkohol und Zigaretten kaufen." Hinzu komme, so die Forscher, dass in Boomzeiten auch die Umwelt mehr geschädigt werde, was Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen begünstige.

Durch ihre Forschungen hoffen die Wissenschaftler, die Unternehmen zu einem Umdenken zu bewegen: Da man ja keine Rezession will - auch dann nicht, wenn sie tatsächlich die Gesundheit der Bevölkerung verbessert -, sollten Unternehmen darüber nachdenken, wie sie auch in Boomzeiten die Arbeit ihrer Mitarbeiter stressfreier gestalten könnten.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "Life and death during the Great Depression", José A. Tapia Granados und Ana V. Diez Roux, PNAS, Online-Publikation, http://www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.0904491106


 

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