Wirkungsweise von Wunder-Antidepressivum auf die Spur gekommen

Amerikanische Forscher identifizieren zentralen Teil des Wirkmechanismus' von Ketamin und liefern damit einen vielversprechenden Ansatz für die Entwicklung schnell wirkender Medikamente gegen Depressionen
New Haven (USA) - Ein neues Antidepressivum könnte Betroffenen künftig extrem schnell und effektiv Erleichterung bringen: Ketamin ist ein vielversprechender Kandidat, um gegen Depressionen zu helfen. Im Gegensatz zu gängigen Antidepressiva entfaltet das Mittel seine Wirkung innerhalb weniger Stunden und nicht erst nach Wochen oder Monaten. Zudem schlägt es bei vielen Patienten an, bei denen die üblichen Therapien versagen. Allerdings kann es als Nebenwirkung unter anderem kurzfristige Symptome einer Psychose mit sich bringen und muss unter ärztlicher Aufsicht intravenös verabreicht werden. Wie amerikanische Forscher in "Science" berichten, konnten sie jetzt in Versuchen mit Ratten einen zentralen Teil des Wirkmechanismus' von Ketamin ausmachen. Ihre Entdeckung könnte die Entwicklung eines sicheren und leicht zu verabreichenden Medikaments gegen Depressionen auf der Basis dieses so genannten NMDA-Rezeptor-Antagonisten beschleunigen.

"Es ist wie ein magisches Medikament - eine Dosis kann rasch wirken und für sieben bis zehn Tage anhalten", erläutert Ronald Duman, Professor für Psychiatrie und Pharmakologie an der Yale University in New Haven und Leiter der Studie. Der dem Effekt zugrunde liegende Mechanismus ist allerdings weit komplexer als eine einfache Blockade des NMDA-Rezeptors durch den Wirkstoff und war bislang nicht identifiziert. Daher hatten Duman und seine Kollegen an Ratten eine Reihe von Experimenten durchgeführt, um die zellulären Signalwege zu untersuchen, über welche Ketamin seine antidepressive Wirkung entfalten könnte.

So stellten sie fest, dass Ketamin auf einem Signalweg agiert, der rasch neue synaptische Verbindungen zwischen Nervenzellen bildet. Bei den Nagern verbesserte sich nach kurzer Zeit nicht nur Depressionen ähnelndes Verhalten, sondern es wurden tatsächlich auch durch chronischen Stress geschädigte Verbindungen zwischen Hirnzellen wieder hergestellt. Den Forschern gelang es zudem, einen entscheidenden Punkt in diesem Signalweg auszumachen: ein Enzym namens mTOR, das die Synthese von Eiweißen kontrolliert, die für neue synaptische Verbindungen benötigt werden. "Der Signalweg ist die Story", erklärt George Aghajanian, einer der beteiligten Forscher. "Die dem antidepressiven Effekt von Ketamin zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen, wird es uns erlauben, das Problem an einer Vielzahl möglicher Stellen innerhalb dieses Signalweges anzugehen."

Traditionell wird Ketamin als Arzneistoff gegen Schmerzen und zur Anästhesie eingesetzt. Vor einigen Jahren bemerkten Forscher aber auch einen antidepressiven Effekt des Wirkstoffs, wenn er in geringeren Dosen verabreicht wird. Antidepressiva wirken meist erst nach Wochen oder Monaten. Etwa 40 Prozent von Depressionen Betroffener sprechen nicht auf gängige Medikamente an und für viele andere findet sich erst nach Monaten oder sogar Jahren verschiedenster Behandlungen eine, die auch tatsächlich Wirkung zeigt. Nicht zuletzt aufgrund der schnellen Wirkung stellt Ketamin eine vielversprechende Alternative dar. Noch fehlt es aber an einer sichereren Darreichungsform, denn der Wirkstoff ist mit Vorsicht zu genießen, kann schwere Nebenwirkungen mit sich bringen und wird mitunter auch als Droge missbraucht.

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "mTOR-Dependent Synapse Formation Underlies the Rapid Antidepressant Effects of NMDA Antagonists", Ronald S. Duman et al.; Science (Vol. 329, S. 959)


 

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