Wie sich das Gehirn vor Alzheimer schützt

Gesunde Hirnzellen schalten im Alter ein Gen ein, das der Stressabwehr dient und eine Abtötung durch die krankheitstypischen Ablagerungen verhindert
Die typischen Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn sind nicht die einzige Ursache für das Absterben von Hirnzellen bei der Alzheimer-Demenz.
Die typischen Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn sind nicht die einzige Ursache für das Absterben von Hirnzellen bei der Alzheimer-Demenz.
© Shutterstock, Bild73918573
Boston (USA) - Menschliche Hirnzellen verfügen über einen Schutzmechanismus, der ihre Funktion bis ins hohe Alter bewahren soll. Nur wenn dieser Stressschutz verloren geht, kann sich eine Demenz entwickeln. Das schließen amerikanische Forscher aus Untersuchungen an Hirngewebe gesunder und dementer Menschen. Entscheidend ist demnach die Aktivität eines Gens, das die Produktion des Proteins REST steuert, berichten sie im Fachjournal „Nature“. REST reguliert andere Gene, die die Widerstandskraft der Zellen gegen Stress erhöhen. Bei einer Alzheimer-Erkrankung wird in den betroffenen Hirnregionen nicht mehr genügend REST gebildet, so dass die Hirnzellen durch die krankheitstypischen Proteinablagerungen oder andere Faktoren leichter abgetötet werden. Wirkstoffe, die ein Absinken der REST-Produktion verhindern, könnten möglicherweise für einen ganz neuen Therapieansatz geeignet sein.

„Wie wir wissen, kann das menschliche Gehirn hundert Jahre oder mehr ganz normal funktionieren. Daher muss sich ein robuster Mechanismus entwickelt haben, um die Hirnfunktion zu erhalten“, sagt Bruce Yankner von der Harvard Medical School in Boston. Normalerweise, so der Forscher, können sich die Hirnzellen auch vor der schädlichen Wirkung der Alzheimer-typischen Proteinablagerungen schützen. Diese sogenannten Beta-Amyloide allein reichen also nicht aus, um Hirnzellen abzutöten. Sie setzen die Zellen aber im Alter einem erhöhten Stress aus. Erst wenn die natürliche Stressabwehr der Nervenzellen nachlässt, kommt es zu einer fortschreitenden Degeneration von Hirngewebe.

Yankner und seinen Kollegen ist es nun gelungen, ein wesentliches Element dieser Stressabwehr nachzuweisen. Sie fanden heraus, dass im Alter Neuronen in der Hirnrinde und im Hippocampus verstärkt das Protein REST produzieren. Bei Alzheimer-Patienten – aber auch bereits bei Menschen mit leicht gestörter Gedächtnisleistung – wird in diesen Hirnregionen kein REST mehr gebildet, weil das entsprechende Gen abgeschaltet ist. Experimente mit Zellkulturen zeigten, dass das REST-Protein Gene ausschaltet, die den programmierten Zelltod auslösen, und andere Gene aktiviert, die Stress durch toxische Substanzen abwehren. Fehlte dieser Gen-Regulator, ließen sich die Zellen durch Beta-Amyloide oder reaktive Sauerstoffverbindungen viel leichter abtöten.

Einen engen Zusammenhang zwischen REST und Demenz fanden die Forscher durch vergleichende Untersuchungen von Hirnproben verstorbener Hundertjähriger: Diejenigen, die nicht unter Alzheimer-Symptomen gelitten hatten, produzierten mindestens dreimal so viel REST in Cortex und Hippocampus wie die anderen – auch dann, wenn Beta-Amyloid-Ablagerungen vorhanden waren. Im Tierversuch bestätigte sich die Bedeutung des REST-Gens für die Entwicklung der Demenz. Bei genetisch veränderten Mäusen, die im Gehirn kein REST mehr bilden konnten, degenerierte im Alter das Hirngewebe in denselben Regionen, die auch bei der Alzheimer-Demenz betroffen sind. “REST ist also unbedingt notwendig, damit die Neuronen im alternden Gehirn am Leben bleiben”, sagt Yankner. Ein Mangel an REST sei eng gekoppelt mit Gedächtnisstörungen. Bei der Suche nach Therapien sollte man sich nicht allein darauf konzentrieren, die Beta-Amyloid-Ablagerungen zu beseitigen, so Yankner. Eine andere, vielversprechende Strategie bestünde darin, die nachlassende REST-Produktion wieder anzukurbeln. Erste Ansätze dazu gäbe es bereits.

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