Wie in den ältesten Schulen der Menschheit gelernt wurde

Schule vor rund 4000 Jahren: In Mesopotamien war Lernen Luxus, die Schulzeit dauerte wohl etwa zehn Jahre und die Schrift war anfangs wichtiger als das Rechnen
Schülerübung mit Personennamen aus dem 18. Jahrhundert vor Christus
Schülerübung mit Personennamen aus dem 18. Jahrhundert vor Christus
© Markus Hilgert
Heidelberg - Fremd und doch oft seltsam vertraut muten die drei- bis viertausend Jahre alten Quellen aus den Schulhäusern des alten Mesopotamiens an. Unter den strengen Blicken der Lehrer formten die Kinderhände als erstes einen Klumpen Ton, handtellergroß, so dass er vorn und hinten beschreibbar war. Und dann kam die Handhabung des Griffels, mit dem möglichst säuberlich Keile und Winkel in den Ton gedrückt werden mussten. Aus einem Textkorpus von Schülerarbeiten aus dem frühen 2. Jahrtausend vor Christus erschließen Forscher der Universität Heidelberg gerade, wie Wissenserwerb vor rund viertausend Jahren vor sich ging. Für ihre Edition der "Keilschrifttexte aus dem Sin-Kaschid-Palast in Uruk/Warka" beschäftigen sich die Wissenschaftler hauptsächlich mit der Frage, welche Bedeutung die Schrift und das Schrifttum für das Leben im alten Orient war.

"Der Anteil der Schreibkundigen an der Gesamtbevölkerung des alten Mesopotamien dürfte im Promillebereich gelegen haben", erklärt Markus Hilgert von der Universität Heidelberg. "Da stellt sich die Frage, für wen eigentlich die Schriftzeugnisse, etwa auf Herrscherstelen, erstellt wurden." Der Anteil der Schriftkundigen wurde im Laufe der Jahrtausende auch nicht wesentlich größer. Im Großen und Ganzen waren es nur die privilegiertesten Familien, in denen die Schriftkundigkeit gepflegt wurde. Schreiben zu lernen war kein ausschließlich männliches Privileg. Doch tatsächlich gab es selten Mädchen, die schreiben lernten. Da Schüler ihre Arbeiten oft unterschrieben mit "Tafel von XY" und männliche und weibliche Personennamen vielfach unterschiedlich waren, hat man in der Forschung erkannt, dass Mädchen eher selten unter denen waren, die ein Schulungshaus besuchten.

Als Medium der alltäglichen Kommunikation spielte Schrift eine eher untergeordnete Rolle, nehmen Hilgert und seine Kollegin Shirin Sanati-Müller an. Neben der Aufzeichnung von Verwaltungsvorgängen diente Schrift vor allem der Weitergabe von kultischem, rechtlichem und heilkundlichem Wissen. Vieles von diesem Wissen war von den Sumerern gekommen. Um 2000 vor Christus sprach jedoch vermutlich niemand mehr Sumerisch, eine Sprache, von der bis heute niemand weiß, mit welcher anderen Sprache sie verwandt sein könnte. Die Sprache im zweiten vorchristlichen Jahrtausend war Akkadisch, eine semitische Sprache, über die die Assyriologen heute auch das Sumerische erschließen. Wer im Mesopotamien des frühen 2. Jahrtausends schreiben lernte, der musste sich, sobald er die Schreibtechnik einigermaßen beherrschte, dem Sumerischen zuwenden.

Als erstes aber lernten die Schüler den Umgang mit den Tonklumpen, die als Schreibfläche dienen sollten. In einer späteren Ausbildungsphase schrieb der Lehrer dann für jeden Schüler auf den handtellergroßen Tontafeln bestimmte Keilschriftübungen vor und die Schüler schrieben sie auf der Rückseite nach. "Es ist ein Glücksfall, wenn wir solche Schülertontafeln finden", erklärt Hilgert. "Denn normalerweise wurden sie wieder abgeschabt und wiederverwendet. Nur dann, wenn ein Schulungshaus zerstört wurde, blieben die Tafel und Griffel erhalten."

Die Mathematik war in Mesopotamien schon relativ weit entwickelt, das Fach wurde jedoch in den allgemeinen Schreibunterricht eingeordnet. Die Akkader, Assyrer und Babylonier beherrschten schon pythagoreische Tripeln, lange bevor sie nach Pythagoras (ca. 570 - 510 v. Chr.) so bezeichnet wurden. Sie kannten den Dreisatz und verwendeten Divisions- und Multiplikationstabellen. Doch die Mathematik war für sie kein Beschäftigungsgegenstand um seiner selbst willen, sondern sie nutzten die Mathematik zu konkreten Kalkulationen, etwa für die Berechnung von Flächen.

Wer die Schreiberausbildung abgeschlossen hatte, war vermutlich zwischen 15 und 20 Jahren alt. Werden konnte man nach der Ausbildung Opferschauer, Heiler, Klagesänger oder Kanzleischreiber, alles Berufe mit außerordentlich hohem Ansehen. "Vermutlich gab es auch damals schon so etwas wie Schulversager", erklärt Hilgert, "doch da Schreibkundigkeit etwas so Seltenes war, konnte auch derjenige, der nur sehr mäßig Schreiben gelernt hatte, noch einen einigermaßen einträglichen Posten ergattern."

Eigener Bericht
Quelle: Eigener Bericht


 

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