Wie geschlossene Augen das Essverhalten beeinflussen

Wer nicht sieht, was er isst, überschätzt die tatsächlich verzehrte Menge an Nahrung – und isst weniger
Verbundene Augen verändern das Esserlebnis.
Verbundene Augen verändern das Esserlebnis.
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Konstanz - Das Auge isst bekanntlich mit. Wie sich die Empfindungen beim Essen und das Essverhalten bei fehlenden Seheindrücken ändern, haben deutsche Psychologen in einer kleinen Studie genauer untersucht. Sie ließen Testpersonen mit verbundenen oder offenen Augen Speiseeis verzehren. Durch das Ausschalten des Sehsinns verringerte sich die Nahrungsaufnahme geringfügig. Deutlicher war der Unterschied, wenn die Teilnehmer hinterher schätzen sollten, wie viel sie gegessen hatten. Die blinden Probanden überschätzten die Menge an verzehrtem Eis in sehr viel höherem Maß als die anderen, berichten die Forscher im Fachblatt „Food Quality and Preference”. Sie schließen aus ihren Ergebnissen, dass es wirksamer sein könnte, eine gesündere Ernährung durch Sinneseindrücke zu fördern anstatt durch Appelle an den Verstand.

„Unsere Studie zeigt, dass das Ausschalten visueller Signale die Einstellung zum Essen und das Essverhalten in mehrerer Hinsicht verändert“, schreiben Britta Renner und ihre Kollegen von der Universität Konstanz. Sie luden 90 normalgewichtige junge Erwachsene zu einer Studie ein, deren Zweck angeblich in einem Geschmackstest bestehen sollte. Fünfzig Personen mussten beim Eislöffeln eine undurchsichtige Skibrille aufsetzen. Jedem wurden drei Becher mit Eis verschiedener Geschmacksrichtungen serviert, von denen nach Belieben gegessen werden konnte. Während und nach dem Essen beantworteten die Testpersonen Fragen, die über eine reine Bewertung des Geschmacks hinausgingen. So gaben sie auch Auskunft darüber, ob sie sich später das Eis kaufen würden, und sie wurden aufgefordert, die verzehrte Eismenge zu schätzen.

Die Gruppe der blinden Probanden aß insgesamt neun Prozent weniger Eis und bewertete den Geschmack mit schlechteren Noten als die anderen. Die von den blinden Essern geschätzte verzehrte Eismenge lag 88 Prozent über dem tatsächlichen Wert. Wer mit offenen Augen gespeist hatte, überschätzte seinen Eiskonsum nur um 35 Prozent. Die Ausschaltung des Sehsinns vergrößerte also die Diskrepanz zwischen der scheinbar und der wirklich konsumierten Nahrungsmenge. Die blinden Probanden waren auch deutlich weniger daran interessiert, sich das gekostete Eis später zu kaufen.

Möglicherweise intensivierte die Blindheit das Esserlebnis, was für eine vorzeitige Sättigung gesorgt haben könnte, vermuten die Autoren. Zusätzlich müsse man aber berücksichtigen, dass der Anblick einer Speise den Speichelfluss und die Produktion von Magensäure anregen kann, was sich auf die Regulation des Appetits auswirkt. Die Ergebnisse würden deutlich machen, dass veränderte visuelle Signale das Essverhalten beeinflussen können. Ob sich daraus eine Methode entwickeln lässt, um die Nahrungszufuhr bei Übergewichtigen zu verringern, bleibt vorerst ungewiss.

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