Wie chronischer Stress krank macht

Dauerhafte psychische Belastung hemmt die Wirkung entzündungshemmender Hormone
Pittsburgh (USA) - Chronischer Stress macht anfälliger für Infektionen und Herzkrankheiten. Warum das so ist, haben amerikanische Mediziner jetzt näher untersucht: Eine länger andauernde psychische Belastung verhindert, dass Entzündungsreaktionen wieder abflauen. Dann reagieren Immunzellen nicht mehr auf dämpfend wirkende Hormone und produzieren verstärkt entzündungsfördernde Botenstoffe. Die Ergebnisse helfen, die Bedeutung von Stress für die Gesundheit besser zu verstehen und Schutzmaßnahmen zu entwickeln, schreiben die Forscher im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“.

„Entzündungen werden unter anderem durch Cortisol reguliert und wenn dieses Hormon seine Funktion nicht mehr ausüben kann, gerät eine Entzündung leicht außer Kontrolle“, sagt Sheldon Cohen von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh. Sein Forscherteam untersuchte den Einfluss von Stress auf die Anfälligkeit für eine Atemwegsinfektion, deren typische Symptome auf Entzündungsreaktionen beruhen. In standardisierten Befragungen ermittelten die Wissenschaftler unter 276 gesunden Erwachsenen diejenigen, die unter chronischem psychischem Stress litten, dessen Auslöser maximal ein Jahr zurücklag. Diese und die anderen Personen wurden mit Rhinoviren infiziert, welche eine harmlose Erkältung auslösten. Fünf Tage lang analysierten die Forscher dann täglich Proben des Nasensekrets und dokumentierten das Ausmaß der Beschwerden.

Bereits ein bis zwei Wochen vor der Infektion war die Aktivität von Immunzellen aus dem Blut getestet worden. Diese reagierten bei den Menschen mit chronischem Stress nur noch schwach auf das Steroidhormon Cortisol. Dieselben Probanden entwickelten nun auch die stärksten Krankheitssymptome. Die anderen dagegen zeigten nur schwache Anzeichen einer Erkältung, da das Cortisol die dafür verantwortlichen Entzündungsreaktionen effektiver unterdrückte. In einer zweiten Studie wurde zunächst die Wirksamkeit von Cortisol bei 79 Testpersonen untersucht. Nach der Virusinfektion ermittelten die Forscher die Menge an entzündungsfördernden Botenstoffen im Nasensekret. Dabei ergab sich ein eindeutiger Zusammenhang: Je schwächer die zuvor festgestellte Cortisolwirkung war, desto mehr dieser Botenstoffe wurden freigesetzt. „Unter Stressbedingungen können die Immunzellen nicht mehr auf kontrollierende Hormone reagieren. Dadurch steigt der Entzündungspegel, was eine Erkrankung begünstigt“, sagt Cohen.

Entzündungsreaktionen spielen bei zahlreichen Krankheiten eine wichtige Rolle, beispielsweise bei Diabetes, Herz- und Gefäßkrankheiten, Asthma, Infektionen, Autoimmunerkrankungen und Wundheilungsstörungen.

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Quelle: „Chronic stress, glucocorticoid receptor resistance, inflammation, and disease risk”, Sheldon Cohen et al.; Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), DOI: 10.1073/pnas.1118355109


 

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