Wie Arzthirne bei der Diagnose arbeiten
"Die Ergebnisse stützen die Hypothese, dass medizinische Diagnose, die auf umgehender visueller Erfassung klinischer Anzeichen basiert, und alltägliches Benennen von ähnlichen Hirnsystemen unterstützt werden", schreiben Marcio Melo von der Universität Sao Paulo und Kollegen. "Nichtsdestotrotz war das Diagnostizieren von Schädigungen kognitiv anspruchsvoller und mit höherer Aktivität in übergeordneten Arealen der Hirnrinde verbunden." Die neuronalen Grundlagen medizinischer Diagnose besser zu verstehen, könnte etwa zur Verbesserung diagnostischer Techniken und Fachkenntnisse beitragen und Fehldiagnosen vermeiden helfen. Die Ergebnisse von Melo und Kollegen lassen zudem vermuten, dass sich das recht umfassende Wissen aus neurowissenschaftlichen Studien zu Wahrnehmung und Benennung von Objekten auch in der diagnostischen Praxis als hilfreich erweisen könnte.
Die Forscher hatten mithilfe funktioneller Magnetresonanztomographie dem Hirn von 25 Radiologen bei der Arbeit zugesehen. Auf Röntgenaufnahmen vom Oberkörper, die sie 1,5 Sekunden zu sehen bekamen, sollten die Ärzte unter anderem Schädigungen diagnostizieren und Tiere erkennen, die als einfache Umrisszeichnungen in die Bilder eingebettet waren. Beides ging in Sekundenschnelle: Die Teilnehmer konnten die Schädigungen nach nur 1,33 Sekunden benennen, die Tiere noch schneller, nach 1,23 Sekunden. Bei beiden Aufgaben ähnelten sich die Aktivitätsmuster im Hirn. In bestimmten Bereichen war die Aktivität bei der Schnelldiagnose lediglich eindeutig noch größer als bei der Benennung der Tiere.