Wenn sich Papier wie von selbst faltet

Dünne Graphenschichten verformen sich kontrolliert unter Wärmestrahlung – Anwendung unter anderem in der Robotik und für intelligente Kleidung
Graphenpapier faltet sich unter Wärmestrahlung selbstständig zu einem Würfel
Graphenpapier faltet sich unter Wärmestrahlung selbstständig zu einem Würfel
© Mu et al. Sci. Adv. 2015;1:e1500533
Shanghai (China) - Liegen Blätter in der Sonne, trocknen sie schnell aus, verschrumpeln und verändern ihre Struktur. Nach einem ganz ähnlichen Prinzip funktioniert ein hauchdünnes Papier, das sich unter Wärmestrahlung wie von selbst zu einem kleinen Würfel falten kann. In der Fachzeitschrift „Science Advances“ berichten die chinesischen Entwickler, dass sich dieser Effekt auch für künstliche Muskeln und als Roboterantrieb einsetzen ließe. Sie halten in Zukunft sogar Kleidung für möglich, die je nach Wetterlage andere, vorher designte Formen annimmt.

„Dieses selbstständige Falten ist programmierbar, so dass sich dieses Material nicht nur in vorher festgelegte Strukturen verformen, sondern sich auch fortbewegen und umdrehen kann“, sagt Hongzhi Wang von der Donghua University in Shanghai. Mit seinen Kollegen fertigte er dazu hauchdünne Schichten aus Graphenoxid. Dieses extrem stabile Kohlenstoffmaterial verknüpfte das Team in einem nasschemischen Verfahren mit einem Kunststoff (Polydopamin). So entstand ein nur einige millionstel Millimeter dünnes Papier, das auf einer Seite Wasser aufnehmen konnte und auf der anderen Seite abstieß.

Im feuchten Zustand lag dieses Papier flach auf einer Unterlage. Wurde es nun mit Wärmestrahlung im nahen Infrarotbereich beleuchtet und damit angetrocknet, faltete es sich binnen zwei Sekunden entlang vorher definierten Knicke auf. Danach schalteten die Wissenschaftler das Licht wieder aus. Eine Luftfeuchte von nur 40 Prozent reichte aus, damit das Papier wieder Wasser aufnahm und sich die Struktur innerhalb von drei Sekunden entfaltete.

Aus diesem Material fertigten Wang und Kollegen auch einen einfachen Roboter, der unter abwechselnder Wärmebestrahlung wie eine Raupe über Stauch- und Dehnbewegungen einige Zentimeter weit kriechen konnte. Mit einer geschickten Anordnung des Graphenpapiers konstruierten sie sogar eine einfache lichtgesteuerte Greifhand. Diese konnte eine dünne, etwa fünfmal schwerere Titanfolie fest halten. Detaillierte Messungen zeigten, dass das Graphenpapier dabei ähnlich effizient war wie künstliche Muskeln aus lichtaktiven Kunststoffen oder Gedächtnismetall. Die berechnete Leistungsdichte ergab gute Werte von bis zu 2,6 Watt pro Kilogramm.

Mit diesen Versuchen belegte Hongzhi Wang, dass hauchdünne Schichten aus Graphenoxid gut als künstliche Muskeln und einfache lichtaktive Antriebe in der Mikrorobotik eingesetzt werden könnten. Wegen der Stabilität von Graphen waren bisher mühelos 500 Verformungszyklen erreichbar. Und diese Zahl ließe sich noch deutlich steigern. Wang kann sich konkrete Anwendungen bei der Ausrichtung von Solarzellen auf den Tageslauf der Sonne vorstellen. „Und in naher Zukunft könnte dieses Papier sogar unser alltägliches Leben verändern“, sagt Wang. Wird es in Stoffe integriert, hält er intelligente Kleidung für möglich, deren Form und Stil sich in Abhängigkeit von der Körpertemperatur oder auch der Wetterlage ändert.

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