Wenn der Nachbar qualmt: Kinder in Wohnkomplexen deutlich stärker durch Zigarettenrauch belastet

Der Dunst gelangt in Mehrfamilienhäusern offensichtlich auch in Wohnungen, in denen nicht geraucht wird - womöglich durch Wände oder gemeinsame Lüftungssysteme
Rochester (USA) - In der eigenen Wohnung auf Zigaretten zu verzichten, ist ein guter Anfang, reicht aber womöglich nicht aus, um die Gesundheit seiner Kinder völlig zu schützen. Denn in Wohnkomplexen zumindest kann die Beeinträchtigung durch Zigarettendunst beachtlich sein, selbst wenn in der eigenen Wohnung nicht geraucht wird. Hinweise darauf haben amerikanische Mediziner in einer Studie gefunden, in der sie die Nikotin-Belastung von Kindern, die in großen Apartmenthäusern lebten, mit der von Altersgenossen verglichen, die in alleinstehenden Häusern wohnten. Die Forscher vermuten, dass die schädlichen Gase ihren Weg etwa durch Wände oder gemeinsame Lüftungssysteme finden können, berichten sie im Fachblatt "Pediatrics". Ob das Problem in einem vergleichbaren Ausmaß auch bei der deutschen Bauweise besteht, darüber trifft die Studie keine Aussage. Denkbar ist allerdings durchaus, dass zum Beispiel durch Rauchen am offenen Fenster oder auf dem Balkon sowie durch das Abwassersystem Zigarettenrauch in benachbarte Wohnungen gelangt.

"Eltern geben sich die größte Mühe, ihre Kinder vor Gefahren wie Tabakrauch zu schützen", sagt Karen M. Wilson, Kinderärztin am University of Rochester Medical Center. "Es ist überraschend, diese Ergebnisse zu sehen und zu realisieren, dass zu viele Eltern gar keine Kontrolle darüber haben, ob ihre Kinder in den eigenen vier Wänden Passivrauch ausgesetzt sind." Wilson und ihre Kollegen hatten Daten von mehr als 5000 Kindern im Alter zwischen 6 und 18 Jahren aus einer nationalen Datenbank zu Gesundheit und Ernährung analysiert und nach einem möglichen Zusammenhang zwischen der Wohnsituation und der Belastung durch Passivrauch gesucht. Darüber wie sehr die Kinder Nikotin ausgesetzt waren, gab die Menge des Stoffs Cotinin Auskunft, welches ein Abbauprodukt des Nervengiftes ist.

Die Mediziner stellten fest: Mehr als 84 Prozent der Kinder aus Apartmenthäusern waren in Berührung mit Tabakrauch gekommen, verglichen mit knapp 80 Prozent der Kinder aus Reihen- oder Doppelhäusern und 70 Prozent der Kinder aus einzeln stehenden Häusern. Vor allem aber waren Kinder aus Wohnkomplexen deutlich höheren Mengen ausgesetzt, ergaben die Analysen. Auch als die Forscher andere Faktoren wie sozioökonomische Verhältnisse und Alter in ihre Berechnungen einbezogen, waren bei Kindern aus Apartmenthäusern immer noch um 45 Prozent höhere Cotinin-Werte festzustellen als bei denjenigen, die in einzeln stehenden Häusern lebten.

Es ist durchaus denkbar, dass ein Teil der Belastung dadurch zustande kommt, dass Familienmitglieder zwar außerhalb der Wohnung rauchen, aber einen Teil des Rauches in ihrer Kleidung mit in die Wohnung tragen. Doch dies allein kann nach Meinung der Autoren nicht den gesamten beobachteten Unterschied erklären, da es weit mehr belastete Kinder als erwachsene Raucher gab. "Im Allgemeinen achten Raucher sehr darauf, Kinder und Nichtraucher in geschlossenen Räumen nicht dem Zigarettenrauch auszusetzen", erklärt der Senior-Autor der Studie Jonathan Winickoff vom MassGeneral Hospital for Children. "Diese Studie wird helfen, die Auffassung zu verbreiten, dass es niemals hinnehmbar ist, in geschlossenen Räumen zu rauchen, nicht einmal in der eigenen Wohneinheit, weil der Rauch in die Körper von Kindern aus anderen Wohnungen gelangt."

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "Tobacco-Smoke Exposure in Children Who Live in Multiunit Housing", Karen M. Wilson et al.; Pediatrics (doi:10.1542/peds.2010-2046)


 

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