Wenn der Elch beim Grasen sabbert

Mit dem Speichel sondern Huftiere Wirkstoffe ab, die die Produktion giftiger Abwehrstoffe in den Pflanzen hemmen
Der Rot-Schwingel (Festuca rubra) ist auch in Nord- und Mitteleuropa stark verbreitet.
Der Rot-Schwingel (Festuca rubra) ist auch in Nord- und Mitteleuropa stark verbreitet.
© John Riley / Wikimedia public domain
Cambridge (Großbritannien) - Manche Gräser bilden eine Lebensgemeinschaft mit Pilzen, die in ihrem Innern wachsen. Die Pflanze liefert Nährstoffe, der Pilz sorgt für eine chemische Feindabwehr: Er produziert giftige Alkaloide, die grasenden Huftieren den Appetit verderben. Im Lauf der Evolution aber haben die Huftiere wiederum mit Gegenmaßnahmen reagiert, berichten jetzt britische und kanadische Forscher. Sie konnten nachweisen, dass der Speichel von Elchen und Rentieren Substanzen enthält, die das Pilzwachstum und die Alkaloidproduktion hemmen. Beim Grasen könnten diese Hemmstoffe in die Pflanzen gelangen und das nachwachsende Futter genießbarer machen, schreiben die Biologen im Fachblatt „Biology Letters“.

„Wir zeigen, dass Pflanzenfresser einen starken Einfluss auf die Pilze ausüben können, die im Innern von Pflanzen leben“, erklären Andrew Tanentzap von der University of Cambridge und seine Kollegen von der York University. Diese Einwirkung erfolge durch noch unbekannte Inhaltsstoffe des Speichels, die in verletzte Pflanzenteile eindringen. Für ihre Untersuchungen sammelten die Forscher Speichel von Elchen und europäischen Rentieren. Aus einer weltweit verbreiteten Art von Süßgräsern, dem Gewöhnlichen Rot-Schwingel (Festuca rubra), isolierten sie den symbiotischen Pilz Epichloë festucae. Das Wachstum von Pilzkolonien, die aus verschiedenen Pflanzen stammten, wurde in den Laborkulturen durch Zugabe von Speichel merklich gehemmt.

Zudem prüften die Biologen, ob der Speichel auch die Produktion des toxischen Alkaloids Ergovalin während des Pilzwachstums in der Wirtspflanze beeinflusst. Dazu ließen sie von Pilzen besiedelte Gräser aus Schweden und Kanada acht Wochen im Gewächshaus wachsen und simulierten Fraßschäden, indem sie im Abstand von 14 oder 30 Tagen die Halme und Blätter kürzten. Nach dem Schnitt tropften sie Speichel von Elchen auf die Schnittstellen; Wassertropfen dienten als Kontrolle. Chemische Analysen ergaben schließlich den Gehalt an Ergovalin in jeder Pflanze.

Bei den Gräsern aus Schweden bewirkte das Abschneiden allein einen Anstieg des Alkaloidgehalts auf das Doppelte, was als Abwehrreaktion zu deuten ist. Die zusätzliche Behandlung mit Speichel führte aber dazu, dass die Alkaloidwerte um 40 bis 70 Prozent sanken. Dagegen hatten die Pflanzen aus Kanada einen dauerhaft hohen Alkaloidgehalt, der sich weder durch den Schnitt noch durch die Speichelgabe veränderte. Das erklären die Forscher mit den in Kanada für das Gras ungünstigeren Umweltbedingungen, unter denen eine gleichbleibend hohe Produktion des Abwehrstoffs vorteilhafter sein könnte. Nur bei den schwedischen Pflanzen reagierte der Pilz offenbar auf ein Stresssignal wie Fraßschäden mit verstärkter Ergovalinbildung – und die Speichelhemmstoffe blockieren wahrscheinlich diesen Signalweg.

Da alle Wachstumstests unter gleichen Bedingungen im selben Gewächshaus durchgeführt wurden, müssen die beiden Populationen von Symbiosepartnern wohl genetische Unterschiede aufweisen, schließen die Autoren. In Anpassung an die jeweilige Umwelt hätten sich demnach unterschiedliche Mechanismen der chemischen Abwehr von Pflanzenfressern entwickelt. Um diese Annahme zu prüfen, müsste das Erbgut der Symbiosepartner analysiert und verglichen werden. Ungeklärt bleibt bisher auch, welche Speichelwirkstoffe über welchen Mechanismus die Alkaloidproduktion des Pilzes hemmen.

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