Wenn Mikroben Uran fressen

Zwei eng verwandte Arten reagieren sehr unterschiedlich auf das Schwermetall
Uranerz (Pechblende)
Uranerz (Pechblende)
© Geomartin / Creative Commons (CC BY-SA 3.0)
Raleigh (USA) - Wo der eine gedeiht, vergeht der andere. Diese alte Gartenweisheit gilt nicht nur für Kohl und Majoran, sondern auch für Mikroorganismen auf heißen Uranhalden. Fast alle Mikroben gehen dort schnell zugrunde. Amerikanische Forscher haben den Stoffwechsel von zwei erstaunlichen Mikroben entschlüsselt, die auch bei hohen Temperaturen über 70 Grad Celsius noch munter weiter leben und zudem extrem säureresistent sind. Während die eine Mikrobenart aus der Nähe von Neapel, Metallosphaera sedula, sich auch bei direktem Kontakt mit Uran wohlfühlt und das giftige Schwermetall sogar in ihrem Stoffwechsel umsetzen kann, legt sich die verwandte Art aus Thüringen einfach schlafen. Zwar gedeiht auch diese Spezies, Metallosphaera prunae, bei hohen Temperaturen. Doch bei Kontakt mit reinem Uran schaltet die Mikrobe in eine Art Ruhezustand, um sich zu schützen. Wie die Forscher im Fachblatt „Proceedings of the National Academy of Sciences“ schreiben, ist dieses unterschiedliche Verhalten umso überraschender, als beide Mikrobenarten ein zu 99,99 Prozent identisches Erbgut besitzen.

„Wie sollen wir diese Mikroorganismen einordnen, nun da wir ihr Erbgut so einfach vergleichen können?“, überlegt Studienleiter Robert Kelly. „Nach der klassischen Definition sind sie keine verschiedenen Arten, weil ihr Erbgut praktisch identisch ist. Aber sie verhalten sich sehr unterschiedlich, wenn sie Stress ausgesetzt sind.“ Die Forscher vermuten, dass die Thüringer Mikrobe ein Abkömmling der anderen Art ist. Nur wenige Mutationen im Erbgut sind dafür verantwortlich, dass sie gänzlich anders auf Uran reagiert. Sobald aber das Schwermetall für eine Stunde aus ihrer Umgebung entfernt ist, nimmt sie ihren Stoffwechsel wieder auf.

Beide Metallosphaera-Arten wurden zuerst vom Regensburger Karl Stetter entdeckt. Sie gehören zu den sogenannten Archaeen, früher als Archaebakterien bezeichnet; dies sind einzellige und uralte Lebensformen, die erst seit den 1970er Jahren bekannt sind. Viele dieser Arten sind an extreme Lebensbedingungen angepasst. Die Tatsache, dass eine Mikrobe Uran zur Energiegewinnung verwerten kann, ist aber bislang einzigartig. Dabei ändert sie die chemische Zusammensetzung des Uranerzes. Die Forscher spekulieren, dass diese Eigenschaft sich eventuell sogar dazu nutzen ließe, Uran aus dem Erdreich zu lösen. Heute wird im Uranbergbau zunehmend ein als „Leaching“ bekanntes Verfahren eingesetzt, bei dem Uran mit Schwefelsäure aus dem Erz gespült wird. Dabei werden auch andere Schwermetalle ausgeschwemmt und können den Untergrund kontaminieren. Mithilfe der Mikroben könnte sich das aber vermeiden lassen, vermutet Kelly: „Bioleaching könnte eine neue Methode sein, Uran abzubauen, indem man Mikroorganismen benutzt, die es aus dem Erz lösen.“

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