Wasserstoff ernährt Tiefseewesen

Mikroben ziehen Energie aus Gasschwaden der Schwarzen Raucher und füttern Muscheln indirekt über eine Symbiose
Schwarzer Raucher
Schwarzer Raucher
© NOAA
Bremen - Mit Wasserstoff lassen sich nicht nur Brennstoffzellen betreiben, sondern auch Lebewesen ernähren. 3000 Meter tief im Atlantik fanden nun deutsche Meeresforscher erstmals eine Lebensgemeinschaft aus Muscheln und Bakterien, deren Stoffwechsel auf dem energiereichen Gas gründet. Da bis zum Boden des Ozeans kein Sonnenlicht vordringt, mussten sich Mikroben und Muscheln an die unwirtliche Umgebung anpassen und die aus sogenannten Schwarzen Rauchern bei etwa 400 Grad austreteten Gase zum Überleben nutzen. Wie die Forscher in der Zeitschrift "Nature" berichten, kann diese ungewöhnliche Nahrungsquelle vor allem dank eines neu entdeckten Gens namens "hupL" im Erbgut der Bakterien ausgeschöpft werden.

"Ziemlich genau auf halber Strecke zwischen den Kapverden und der Karibik haben wir 2005 am Mittelozeanischen Rücken des Atlantiks mit Tauchrobotern erste Hinweise gefunden", sagt Frank Zielinski, der damals am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen an seiner Promotion arbeitete. Rund um die Schwarzen Raucher – Hydrothermalquellen an dieser Nahtstelle zwischen zwei geologischen Platten – entdeckten sie ausgedehnte Muschelbänke der Art Bathymodiolus puteoserpentis. In das umgebende Wasser stießen die Schlote der Schwarzen Raucher heiße Ströme mit hohen Anteilen an Methan, Schwefelwasserstoff und reinem Wasserstoff aus. Schnell drängte sich der Verdacht auf, dass diese energiereichen Gase die Lebensgrundlage für die Verwandten der Miesmuscheln bilden müssten.

Tiefseeroboter sammeln Muscheln

So sammelten Zielinski und Kollegen einige Muscheln mit den Greifarmen der Tiefseeroboter ein und untersuchten sie genauer. In den Kiemen der Schalentiere fanden sie Bakterienkulturen, die sich – wie bisher angenommen - von Methan und Schwefelwasserstoff ernähren können und eine Symbiose mit den Muscheln eingehen. Doch eine der Mikrobenarten verzehrte auch Wasserstoff. Ganz ohne Sonnenlicht können die Bakterien so einen chemosynthetischen Stoffwechsel betreiben und aus der Spaltung von Wasserstoff genug Energie für den Aufbau von Kohlenhydraten gewinnen.

"Ob nun die Muscheln die Bakterien selbst verdauen oder die Mikroben für ihre Ernährung melken, ist im Detail noch nicht geklärt", sagt Zielinski. Klar ist jedoch, dass die Tiefsee-Muscheln ohne die erfolgreiche Symbiose mit den Bakterienkulturen in ihrem Innern nicht überleben könnten. So bilden die Mikroben quasi eine lebende Brennstoffzelle, die die Schalentiere mit verwertbarer Energie versorgt. Da die Gasausstöße der Schwarzen Raucher jedoch stark schwanken können, verlassen sich die Muscheln offenbar nicht auf eine einzige Mikrobenart. Die Forscher entdeckten zwei Kulturen: Eine für die Umsetzung von Methan und die weitere für die Verwertung von Schwefelwasserstoff und Wasserstoff. "Je nach Menge der verfügbaren Gase können die Muscheln so ihre Ernährung umschalten", sagt Zielinski.

Mit genaueren Analysen im Bremer Institut gingen die Wissenschaftler dem bis dato unbekannten Wasserstoff-Stoffwechsel der Mikroben auf den Grund. Sie fanden heraus, dass sie über das hubL-Gen verfügen, das für die Wasserstoffspaltung verantwortlich ist. "Das ist das Schlüsselgen für die Fähigkeit, Wasserstoff als Energiequelle verwerten zu können", erklärt Zielinski. Weitere Messungen zeigten, dass die untersuchte Tiefsee-Muschelbank mit etwa einer halben Million Tiere bis zu 5.000 Liter Wasserstoffgas pro Stunde konsumieren könnte.

Unbekannte Tiefsee-Welt von Rohstoffsuchern bedroht

Dieses "Wasserstoff-Gen" fanden die Wissenschaftler auch in Bakterien, die in Symbiose mit Röhrenwürmern und Tiefsee-Garnelen lebten. Doch den direkten Verzehr von Wasserstoff haben sie an diesen Lebenwesen bisher nicht untersucht. "Diese Wirtstiere belegen die Tatsache, dass unser Wissen der Ökosysteme rund um die Schwarzen Raucher auch 34 Jahre nach ihrer Entdeckung noch limitiert ist", schreiben Victoria Orphan und Tori Hoehler vom California Institute of Technology in einem begleitenden Kommentar. So birgt die Tiefsee wahrscheinlich noch viele unentdeckte Lebensformen und Geheimnisse, die erst nach und nach mit modernen Tauchbooten gelüftet werden können. Da derzeit zahlreiche Staaten und Rohstoffunternehmen die Tiefsee als neue Quelle für seltene und wirtschaftlich relevante Metalle entdeckt haben, schrumpft jedoch die Zeitspanne, um die noch weitestgehend unberührten Lebenswelten zu erforschen.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "Hydrogen is an energy source for hydrothermal vent symbioses", Jillian M. Petersen, Frank U. Zielinski et al.; Nature, doi: 10.1038/nature10325


 

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