Warum nicht alle Pupillen rund sind

Je nachdem, ob ein Tier grasender Pflanzenfresser, aktiv jagender Räuber oder Lauerjäger ist, erweist sich eine andere Pupillenform als optimal
Bei erhobenem und bei gesenktem Kopf – die Pupille ist stets parallel zum Boden ausgerichtet.
Bei erhobenem und bei gesenktem Kopf – die Pupille ist stets parallel zum Boden ausgerichtet.
© Gordon Love, Durham University
Berkeley (USA) - Raubtiere haben andere Pupillenformen als Pflanzenfresser. Im Lauf der Evolution haben sich offenbar runde, vertikal-schlitzförmige oder horizontal-spaltenförmige Pupillen als jeweils optimale Anpassungen an die unterschiedlichen Lebensweisen entwickelt. Das bestätigen nun amerikanische Biologen durch Untersuchungen bei 214 Arten von Landlebewesen. Zudem konnten sie mit Hilfe von Computermodellen erstmals zeigen, wie sich die Sehleistungen der einzelnen Augentypen unterscheiden. So erwiesen sich waagerecht ausgerichtete Pupillen für Schafe als vorteilhaft, weil grasende Tiere mit seitenständigen Augen dadurch ein umfassendes horizontales Panoramabild ihrer Umgebung wahrnehmen können. Auch für die schnelle Flucht vor einem Räuber bietet dieser Pupillentyp große Vorteile, berichten die Forscher im Fachblatt „Science Advances”. Sie fanden auch eine Erklärung dafür, warum aktiv jagende Raubtiere andere Pupillen haben als Räuber, die ihrer Beute auflauern.

„Unsere Studie ist der erste Versuch zu erklären, warum es bei spaltförmigen Pupillen darauf ankommt, ob sie horizontal oder vertikal ausgerichtet sind“, sagt Martin Banks von der University of California in Berkeley, der Leiter des Forscherteams. Generell haben schmale, längliche Pupillen den Vorteil, dass ihre Öffnungen über einen größeren Bereich regulierbar sind als die von runden Pupillen. So können Hauskatzen die Größe ihrer vertikalen Schlitze je nach Lichtverhältnissen 135-fach verändern. Die runde Pupille des Menschen kann sich dagegen nur 15-fach vergrößern oder verkleinern. Für tag- und nachtaktive Lauerjäger wie die Hauskatze ist es wichtig, die Entfernung zur Beute abzuschätzen, ohne den Kopf zu bewegen. Dabei hilft ihnen zum einen räumliches Sehen, was die nach vorn gerichteten Augen ermöglichen. Zum anderen dient dazu die Unschärfe unterschiedlich weit entfernter Objekte. Um aus beiden Informationen die Beute exakt zu lokalisieren, eignen sich vertikale Schlitzpupillen besser als horizontale. Das gilt zumindest für die meisten Lauerjäger mit einer Schulterhöhe von weniger als 42 Zentimetern. Ist der Kopf weiter vom Boden entfernt wie bei Tigern und Löwen, findet man eher runde Pupillen. Möglicherweise spielt bei größeren Tieren die Entfernungsmessung über die Tiefenschärfe eine geringere Rolle, vermuten die Forscher.

Runde Pupillen waren typisch für tagsüber aktiv jagende Räuber wie den Wolf. Horizontale Pupillen, die im Umriss manchmal schmalen Rechtecken ähneln, waren ein häufiges Merkmal von grasenden Tieren wie Schafen und Pferden. Diese Pupillenform verhindert störenden Lichteinfall von oben und verbessert die Sicht auf den Boden. Außerdem ermöglicht sie eine durch blinde Flecke wenig unterbrochene Rundumsicht, eine frühe Erkennung sich nähernder Räuber und eine optimale Wahrnehmung der Bodenbeschaffenheit, was für den Fall einer plötzlichen Flucht wichtig ist. Beobachtungen der Biologen zeigten, wie groß die Bedeutung der horizontalen Ausrichtung tatsächlich ist: Wenn sich der Kopf eines Schafes beim Grasen zum Boden senkt, drehen sich die Augäpfel so, dass die Pupillen weiterhin horizontal ausgerichtet bleiben. Diese Tiere können ihre Augen zehnmal stärker „verdrehen“ als der Mensch, so die Forscher.

Aus den Verwandtschaftsbeziehungen der untersuchten Tierarten schließen die Forscher, dass sich die unterschiedlichen Pupillenformen in der Evolution durch Anpassung an die jeweilige ökologische Nische und Lebensweise mehrmals unabhängig voneinander verändert haben. Weitere vergleichende Arbeiten sollen nun auch Vögel einschließen sowie Tiere, die im Wasser und auf Bäumen leben.

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