Warum Vögel Straßen meiden

Ungewöhnliches Freilandexperiment zeigt: Allein der Verkehrslärm einer akustisch simulierten Straße genügt, um die Tiere abzuschrecken
Forscher simulieren die Geräuschkulisse einer Phantomstraße, indem sie Straßenlärm aus Lautsprechern produzieren.
Forscher simulieren die Geräuschkulisse einer Phantomstraße, indem sie Straßenlärm aus Lautsprechern produzieren.
© Chris McClure
Boise (USA) - Wild lebende Tiere halten sich von Straßen fern. Mögliche Gründe dafür sind der verstörende Anblick der veränderten Landschaft, die Gefahr tödlicher Kollisionen, giftige Abgase oder der hohe Geräuschpegel. Erstmals haben amerikanische Biologen jetzt gezeigt, dass zumindest für Vögel allein der Verkehrslärm ausreicht, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen. Entlang einer 500 Meter langen straßenfreien Strecke in bewaldetem Gelände platzierten sie Lautsprecher, aus denen tagelang Geräusche von Autoverkehr drangen. Ein großer Teil der Zugvögel, die ihren gewohnten Rastplatz aufsuchen wollten, mieden diese Phantomstraße, bis die Lautsprecher wieder verstummten, berichten die Forscher im Fachjournal „Proceedings of the Royal Society B”.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Lärm genügt, um einige Vögel von einem Ort fernzuhalten“, schreiben Christopher McClure von der Boise State University und seine Kollegen. Die Geräusche des Autoverkehrs könnten demnach die Hauptursache für den abschreckenden Effekt von Straßen auf Tiere sein. Für ihre Freilandversuche wählten die Biologen ein Gebiet, das Zugvögel im Herbst als Rastplatz auf dem Weg ins Winterquartier nutzten. Im Abstand von 30 Metern befestigten sie an den Stämmen von Tannen in vier Meter Höhe 15 Paare von Lautsprechern, die voneinander abgewandt waren, so dass der akustische Eindruck einer Phantomstraße entstand. Jeweils von 4.30 Uhr bis 21.00 Uhr ertönte aus den Geräten vier Tage lang Straßenverkehrslärm. Die Geräuschkulisse stammte von aufgezeichneten Tonaufnahmen vorbeifahrender Autos. Die Lärmbelastung entsprach etwa den Verhältnissen auf Straßen in stark besuchten Nationalparks. Auf die Beschallung folgte eine Ruheperiode von ebenfalls vier Tagen.

An mehreren Beobachtungsstationen entlang der Phantomstraße registrierten die Biologen Zahl und Art der Vögel, die im Umkreis von 50 Metern zu sehen waren. Während der vier Tage mit Lärmbeschallung zählten die Forscher 28 Prozent weniger Vögel als während der ruhigen Zeit. 91 Prozent der beobachteten Vögel gehörten zu 22 der insgesamt 59 an diesem Standort vorkommenden Arten. Mehr als die Hälfte der Vogelarten reagierte negativ auf den Lärm, während sich acht Arten davon gar nicht beeinflussen ließen. Zwei Arten, der Goldwaldsänger (Dendroica petechia) und der Zedernseidenschwanz (Bombycilla cedrorum) erwiesen sich als besonders empfindlich und waren während der vier Lärmtage gar nicht mehr zu sehen. Als einzige Art wurde der Cassingimpel (Haemorhous cassinii) durch die Autogeräusche sogar angezogen.

Die Ergebnisse lassen sich nicht direkt auf andere Tiere übertragen, unter anderem deshalb, weil nicht alle so schnell auf benachbarte ruhigere Gebiete ausweichen können wie Vögel, so die Forscher. Außerdem ist anzunehmen, dass manche Tiere stärker auf die Tonfrequenzen des Verkehrslärms reagieren als andere. Daher seien weitere derartige Untersuchungen nötig, um den störenden Einfluss von Zivilisationslärm auf die Tierwelt insgesamt zu erfassen.

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