Vorausschauende Diagnostik: Hirnscan warnt vor Depression und Angststörung

Aktivität bestimmter Hirnzellen lässt auf Anfälligkeit für psychische Störungen schließen, so dass vorbeugende Maßnahmen möglich wären
Der Anblick eines bedrohlichen Gesichts löst Reaktionen in der Amygdala aus, die individuell unterschiedlich stark ausgeprägt sind.
Der Anblick eines bedrohlichen Gesichts löst Reaktionen in der Amygdala aus, die individuell unterschiedlich stark ausgeprägt sind.
© Annchen Knodt / Hariri lab, Duke University
Durham (USA) - Manche Menschen überstehen Schicksalsschläge ohne bleibende psychische Schäden. Bei anderen entwickeln sich früher oder später chronische Krankheiten wie eine Angststörung oder eine Depression. Amerikanischen Psychologen ist es jetzt mit einer einfachen Methode gelungen vorherzusagen, wie anfällig jemand dafür ist, an stressbedingten psychischen Störungen zu erkranken. Mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRI) ermittelten sie, wie stark sich die Hirnaktivität im Bereich der Amygdala beim Betrachten angstauslösender Bilder verändert. Je stärker die Aktivität zunahm, desto geringer war die psychische Stabilität in einem Zeitraum von bis zu vier Jahren, schreiben die Forscher im Fachblatt „Neuron“. Der Test ermöglicht es, frühzeitig gefährdete Menschen zu erkennen, und könnte dazu beitragen, sie in Zukunft vor einer Erkrankung zu bewahren.

„Dass ein einziger Hirnscan uns etwas so Wichtiges über die psychische Verletzlichkeit durch Stress für eine Zeitspanne von vier Jahren sagen kann, ist wirklich bemerkenswert und neu“, sagt Ahmad Hariri von der Duke University in Durham. Die beste Strategie bei psychischen Erkrankungen bestehe darin, rechtzeitig zu verhindern, dass sie überhaupt entstehen. „Doch in vielen Fällen begeben sich Menschen erst dann in ärztliche Behandlung, wenn die Depression oder Angststörung bereits chronisch geworden ist“, sagt Johnna Swartz aus Hariris Forscherteam. Die paarig vorhandene Amygdala, auch Mandelkern genannt, ist Teil des limbischen Systems und wesentlich am Angstempfinden beteiligt. Patienten mit Depressionen oder Angststörungen zeigen bei einer Bedrohung eine stärkere Aktivität der Zellen in dieser Hirnregion als gesunde Menschen. Zur indirekten Messung dieser Aktivität dient die fMRI, die Bereiche verstärkter Durchblutung sichtbar macht.

An der Studie nahmen 340 Menschen im Alter zwischen 18 und 22 Jahren teil, die nicht an einer psychischen Störung litten. Die Forscher ermittelten mit fMRI-Scans, wie stark die Aktivität in der Amygdala anstieg, wenn ein Proband Fotos von wütenden oder ängstlichen Gesichtern betrachtete. Als Kontrolle dienten Gesichter mit überraschtem oder neutralem Ausdruck. Dann gaben die Testpersonen alle drei Monate Auskunft darüber, ob belastende Ereignisse in ihrem Leben eingetreten waren. Dazu zählten zum Beispiel Scheidung oder Arbeitslosigkeit der Eltern, Tod eines Freundes, Streit mit den Eltern oder ein schwerer Unfall. Über einen Fragebogen machten sie zudem jeweils Angaben zur Stimmungslage, woraus sich auf Symptome einer Depression oder Angststörung schließen ließ.

Menschen, deren Amygdala zu Beginn der Studie eine übermäßig starke Stressreaktion zeigte, hatten ein bis vier Jahre später stärkere psychische Probleme nach belastenden Ereignissen als diejenigen mit schwächerer Amygdala-Aktivität. Bei der Anfälligkeit für psychische Störungen spielen aber neben Umweltfaktoren wahrscheinlich auch genetische Ursachen eine Rolle. Es wäre also vielleicht möglich, eine verstärkte Aktivität in der Amygdala statt durch den technisch aufwendigen Hirnscan durch einen simplen DNA-Test mit einer Speichelprobe nachzuweisen. Deshalb wollen die Forscher nun herausfinden, welche Gene dafür verantwortlich sind. In Zukunft könnte man dann versuchen, auf die ein oder andere Weise identifizierte, besonders gefährdete Menschen vorbeugend mit Medikamenten zu behandeln, die dämpfend auf die Amygdala-Aktivität wirken.

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