Vogelzug: Lernen von den Alten

Schreikraniche folgen erfahrenen Artgenossen und werden von Jahr zu Jahr besser darin, auf der kürzesten Route zu bleiben
Junger Schreikranich auf seinem ersten Herbstzug
Junger Schreikranich auf seinem ersten Herbstzug
© Joe Duff/copyright Operation Migration USA Inc.
College Park (USA) - So ein Zugvogeldasein will gelernt sein – besonders deutlich zeigt sich das bei Schreikranichen. Jungtiere erlernen von älteren, erfahrenen Artgenossen, wie sie am besten zu ihrem Zielort kommen. Dabei verbessern sie sich über Jahre. Dieser soziale Lernprozess spielt also eine zentrale Rolle, wenn die Vögel ihre Zugrouten aufbauen und aufrechterhalten. Das konnten Biologen in einer außergewöhnlichen Feldstudie in den USA beobachten, über die sie im Fachblatt „Science“ berichten. Sie arbeiteten mit in Gefangenschaft aufgewachsenen, ausgewilderten Schreikranichen. Das Phänomen des Vogelzugs und wie Vögel es lernen, über derart weite Distanzen zu navigieren, beschäftigt Biologen seit Langem. In welchem Ausmaß die Tiere dabei die Navigation erlernen oder wie sehr es sich um eine angeborene Fähigkeit handelt, kann von Art zu Art stark variieren und ist längst nicht für jede Spezies eindeutig geklärt.

„Wir konnten hier den Lebensverlauf individueller Tiere betrachten und zeigen, dass Lernen über viele Jahre stattfindet“, sagt Thomas Müller von der University of Maryland in College Park. Andere Studien zum Vogelzug seien dagegen etwa bei kurzlebigeren Arten wie Singvögeln durchgeführt worden oder basierten auf dem Vergleich von Jungtieren und erfahrenen Artgenossen. Müller und seine Kollegen hatten die Gelegenheit, Schreikraniche (Grus americana) zu beobachten, die in einem großen Projekt in Gefangenschaft aufgezogen wurden, um ausgewildert zu werden. Auf dem ersten Vogelzug in Freiheit - von Wisconsin nach Florida - folgten die Jungvögel dann nicht etwa Artgenossen, sondern einem Ultraleichtflugzeug. Erst dann waren sie auf sich gestellt und zogen fortan in Gruppen mit anderen Vögeln. Dabei wurden sie aber von den Forschern mit technischen Hilfsmitteln weiterhin beobachtet. Insgesamt konnten sie für ihre Analysen so Daten aus acht Jahren Beobachtung nutzen.

Dabei stellten sich heraus: Die älteren und erfahrenen Vögel wiesen den Jungspunden den Weg. Im Schnitt wichen ein Jahr junge Kraniche, die mit älteren Vögeln auf die Reise gingen, deutlich weniger vom Kurs ab, als wenn sie in einer Gruppe mit Gleichaltrigen unterwegs waren. War der älteste Vogel in einer Gruppe nur ein Jahr alt, kamen die Tiere rund 76 Kilometer von der direkten Route ab. War dagegen der älteste Mitreisende acht Jahre alt, waren es nur etwa 47 Kilometer. Nach etwa sieben Jahren Erfahrung hatten die Vögel die Genauigkeit ihrer Route demnach um zirka 38 Prozent verbessert.

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