Vogelflug: Mathematisches Modell simuliert thermischen Auftrieb

Lernfähiger Algorithmus offenbart die beste Strategie für Zugvögel – Nutzen auch für autonome Flugdrohnen
Weißstörche auf ihrem Flug über Israel
Weißstörche auf ihrem Flug über Israel
© Henrike Mühlichen - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9535520
San Diego (USA) - Schon in wenigen Wochen werden Störche aus Mitteleuropa gen Süden aufbrechen und auf dem Weg ins Winterquartier Strecken von bis zu 10.000 Kilometern zurücklegen. Ohne aufsteigende warme Luftmassen und effizienten Gleitflug gelingt diese Leistung allerdings nicht. Kalifornische Biophysiker suchten nun nach der besten Strategie, mit der die Zugvögel den thermischen Auftrieb über erhitzen Landflächen ausnutzen und Flughöhen von bis zu zwei Kilometern erreichen können. Ihr in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ vorgestelltes mathematisches Modell zeigte, dass nur wenige Parameter für eine optimale Ausnutzung der Thermik zu beachten waren. Diese Ergebnisse werden nicht nur für Vogelforscher interessant sein, sondern könnten auch Reichweite von gleitenden Flugdrohnen deutlich vergrößern helfen.

„Bisher ist nur wenig über das Flugverhalten von Vögeln bekannt, um die Thermik ideal auszunutzen“, sagt Massimo Vergassola von der University of California in San Diego. Im Unterschied zu Ornithologen, die einzelne Vögel mit Sensoren ausstatten, setzte Vergassola mit seinen Kollegen auf ein rein mathematisches Modell. So simulierten die Forscher die teils turbulenten und rotierenden Aufwinde über einer erwärmten Landfläche. Zu ihrer Simulation einer Auftriebströmung fügten sie ein Vogelmodell im Gleitflug hinzu. Ein selbstlernener Algorithmus, basierend auf dem DeepMind AlphaGo Programm von Google, ermittelte sukzessive die besten Flugmanöver, um im Zentrum der Auftriebströmung möglichst viel Höhe zu gewinnen.

Nach mehreren hundert Durchläufen im Computer offenbarten sich gravierende Unterschiede zwischen ungelernten und erfahrenen Vogelmodellen. So verloren unerfahrene Gleiter in einer thermischen Auftriebsströmung aufgrund ihrer zufälligen Flugmanöver an Höhe. Dagegen erkannte der selbstlernende Algorithmus zunehmend besser, dass nur geringe Änderungen der Flügelstellung relativ zum Anströmwinkel und eine nur um bis zu 15 Grad gekippte Schräglage der ausgebreiteten Schwingen ausreichten, um mehrere Meter pro Sekunde aufsteigen zu können. Die beiden wichtigsten Parameter für diesen Lernprozess waren die senkrechte Geschwindigkeit der aufsteigenden Luftströmung und dessen Drehmoment als Maßstab für Turbulenzen. Temperaturänderungen in der Luft erwiesen sich als deutlich weniger relevant.

Die Berechnungen zeigten zudem, dass kleine Turbulenzen den Auftrieb eines Gleiters selbst in einer ausgeprägten Thermik besonders empfindlich stören konnten. Die Simulation ergab, dass sich dieses Problem nicht durch eine abrupte Kursänderung, sondern am besten durch eine unveränderte Flugrichtung bewältigen ließ. Ob Zugvögel in freier Wildbahn die gleiche Strategie verfolgen, könnten nun genaue Beobachtungen oder über Positionssensoren aufgezeichnete Flugbahnen zeigen.

Mit ihrer Studie gaben die kalifornischen Biophysiker Vogelforschern neue Impulse, um die Navigationskünste von Zugvögeln zu analysieren. Denn ein an kleine Turbulenzen optimal angepasster Gleitflug erfordert weniger Flügelschläge und die Vögel benötigen etwa ein Drittel weniger Energie. Von den Simulationen und dem selbstlernenden Algorithmus könnten in Zukunft aber auch künstliche, zum Gleitflug fähige Drohnen profitieren, um signifikant größere Reichweiten zu erzielen.

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