Vogelevolution - Farbenpracht will gesehen werden

Genstudie belegt: Bei Vögeln bestimmt das Farbsehvermögen der Weibchen, wie bunt die Männchen sind
Die Männchen des Blaurücken-Waldsängers (Dendroica caerulescens) sind deutlich farbenprächtiger als die Weibchen.
Die Männchen des Blaurücken-Waldsängers (Dendroica caerulescens) sind deutlich farbenprächtiger als die Weibchen.
© Dick Daniels, http://carolinabirds.org
Chicago (USA) - Wie farbenprächtig Vogelmännchen sind, hängt davon ab, wie gut die Weibchen Farben sehen können. Vermutet haben Biologen schon lange, dass die beiden Faktoren zusammenhängen. Nun berichtet eine Forscherin aus den USA im Fachblatt „Proceedings of the Royal Society B”, dass sie stichhaltige Beweise für diese Hypothese finden konnte. Bei unterschiedlichen Spezies amerikanischer Singvögel stellte sie fest: Ist bei den Weibchen einer Vogelart die Aktivität eines bestimmten Gens besonders hoch, ist auch das Gefieder der entsprechenden Männchen besonders bunt. Dieses Gen namens Sws2 trägt die Information für eines der vier in der Netzhaut vorkommenden Sehpigmente, die bei den meisten Vögeln die essenzielle Grundlage für das Farbensehen bilden. Das Gen scheint demnach eine Rolle dabei zu spielen, wie sich in der Evolution solche offensichtlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern entwickeln.

„Dies ist das erste Mal, dass ein Aspekt des visuellen Systems bei Vögeln unmittelbar mit der Evolution des Gefieders in Zusammenhang gebracht werden konnte“, sagt Natasha Bloch vom Department of Ecology and Evolution an der University of Chicago. „Das verrät uns, dass Farbwahrnehmung eine wichtige Rolle spielt bei der Evolution der eindrucksvollen Vielfalt von Farben, die wir in der Natur sehen.“ Der sogenannte Geschlechtsdimorphismus, also ein deutlich sichtbarer Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Vertretern einer Art, ist bei vielen Vogelarten zu beobachten. Die Männchen tragen häufig auffallend buntes Gefieder zur Schau, während die Weibchen unscheinbar braungrau sind. Zwar haben Biologen durchaus vermutet, dass auch das Farbsehvermögen der Weibchen zu diesem Phänomen beiträgt. Doch ein Beweis für diesen Zusammenhang, etwa durch Verhaltensversuche unter kontrollierten Bedingungen, war schwer zu erbringen.

Um dem näher auf den Grund zu gehen, hatte Bloch sich auf die biologischen Grundlagen des Farbensehens konzentriert: auf die vier unterschiedlichen Sehpigmente. Diese sogenannten Opsine sind spezielle Proteine in den Zapfen der Netzhaut, die das Licht absorbieren und darüber die Wahrnehmung von Farben überhaupt erst ermöglichen. Jedes dieser Sehpigmente ist für jeweils unterschiedliche Wellenlängenbereiche des Lichts besonders empfindlich. Durch die Verrechnung der jeweiligen Signale aus den vier Zapfentypen entsteht im Gehirn letztlich die Farbwahrnehmung. Bloch bestimmte nun bei insgesamt 16 Arten von Waldsängern (Parulidae) die Expression der Gene, die die Informationen für die vier unterschiedlichen Opsine enthalten – Lws, Rh2, Sws1 und Sws2. Die Genexpression ist ein Maß dafür, wie aktiv ein Gen ist und damit auch dafür, in welchem Ausmaß das entsprechende Protein produziert wird.

Die Expression der Opsin-Gene variierte stark von Art zu Art. Für Sws2 fand die Biologin einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Genexpression bei den Weibchen und der Farbenpracht der Männchen: Bei denjenigen Arten, bei denen das Gen der Weibchen besonders aktiv war, stellten die Männchen auch das wesentlich farbenprächtigere Gefieder zur Schau. Umgekehrt hatten die Männchen von Arten, bei denen das Gen der Weibchen weniger aktiv war, deutlich unauffälligere Federn und waren den Weibchen ähnlicher. „Der starke Zusammenhang zwischen der Expression von Sws2 und der Farbgebung des Gefieders legt nahe, dass die Produktion dieses Opsins die Wahrnehmung der Weibchen verändert und damit auch die Vorliebe der Weibchen für Farbe“, erläutert Bloch die Bedeutung der Ergebnisse. Dies wiederum treibe die Evolution der Färbung des männlichen Gefieders voran.

Das Opsin Sws2 ist für Licht im blauen Bereich des Farbspektrums besonders empfindlich. Da Vögel im Gegensatz zum Menschen auch Licht im UV-Bereich sehen können, liegt Blau im mittleren Spektralbereich derjenigen Farben, die für Vögel sichtbar sind. Dadurch stellt dieses Sehpigment ein zentrales Element für ausgeprägtes Farbunterscheidungsvermögen dar. Bei den Opsinen Lws und Uvs, deren maximale Empfindlichkeiten in den äußeren Bereichen dieses Farbspektrums liegen, zeichnete sich dagegen ein anderer Zusammenhang ab: Die Expression dieser beiden Gene schwankte mit den Lichtbedingungen der Lebensräume, in denen eine Art lebte. Hier spielt offenbar nicht sexuelle Selektion die entscheidende Rolle, sondern der Selektionsdruck durch die Umwelt.

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