Vögel füttern im Winter – eher schädlich

Die Zusatznahrung hat negative Konsequenzen für den Bruterfolg der gesamten Vogelpopulation im Frühling
Blaumeise bei der Nahrungssuche
Blaumeise bei der Nahrungssuche
© John Harding / British Trust for Ornithology (BTO)
Penryn (Großbritannien) - Wer im Winter Vögel füttert, hilft den Tieren zwar zunächst, die Zeit des Nahrungsmangels zu überstehen. Diese Hilfe wirkt sich aber für die Gesamtpopulation eher negativ aus: Die Überlebenschancen der Nestlinge im Frühjahr verschlechtern sich. Das haben britische Biologen bei Blaumeisen beobachtet. Das Füttern könnte auch schwachen Vögeln, die sonst im Winter gestorben wären, noch eine Brut ermöglichen; doch die kann dann oft nicht mehr ausreichend mit Nahrung aus natürlichen Quellen versorgt werden. Es sei aber durchaus denkbar, dass sich dieser Nachteil durch ein ganzjähriges Futterangebot vermeiden ließe, schreiben die Forscher im Fachblatt „Scientific Reports“.

„Unsere Ergebnisse stellen den Nutzen der Winterfütterung in Frage; allerdings sind die genauen Gründe für den geringeren Fortpflanzungserfolg noch unklar“, sagt Jon Blount von der University of Exeter, der Leiter des Forscherteams. In ihrer dreijährigen Freilandstudie beobachteten die Biologen Populationen von Blaumeisen (Cyanistes caeruleus) in neun Waldgebieten. Während des Winters boten sie den Vögeln in sechs dieser Regionen fettreiche Meisenknödel mit oder ohne Zusatz von Vitamin E an. Dieses Vitamin, das die Tiere normalerweise mit Nüssen und Samen zu sich nehmen, dient ihnen als wichtiges, gesundheitsförderndes Antioxidans. In den drei anderen Gebieten wurde nicht gefüttert. Im Frühling kontrollierten die Forscher die aufgehängten Nistkästen und ermittelten die Zahl der Eier, die Größe der Nestlinge und wie viele davon überlebten und flügge wurden.

Die Küken von Eltern, die im Winter Zusatzfutter – mit oder ohne Vitamin E – erhalten hatten, waren im Schnitt kleiner als die anderen. Und der Prozentsatz dieser Jungvögel, die das flugfähige Alter erreichten, lag acht Prozent unter dem Vergleichswert. Bei Vögeln in der Stadt wären die Unterschiede wahrscheinlich noch größer gewesen, vermuten die Autoren. Denn das im Frühling größere Nahrungsangebot und die besseren Nistmöglichkeiten in Waldnähe erleichtern eine erfolgreiche Brut. Für das Ergebnis seien verschiedene Erklärungen möglich: Zum einen könnte die unausgewogene Zusammensetzung des Winterfutters der biologischen Fitness der Meisen geschadet haben. Zum anderen ermöglichte das Zufüttern auch das Überleben geschwächter Vögel, die dann aber nicht mehr die Kraft hatten, sämtliche Küken zu versorgen. Zudem könnte die gute Ernährung im Winter die Tiere dazu verleitet haben, so viel Nachwuchs zu zeugen, dass sie mit der Brutpflege überfordert waren.

Eine Fütterung, die nicht mit dem Winter endet, sondern das ganze Jahr über fortgeführt wird, wäre vielleicht eine Möglichkeit, die Vögel vor den Nachteilen einer reinen Winterfütterung zu bewahren. Doch diese Annahme müsste durch eine neue Studie erst noch bestätigt werden. Anlass zu großer Besorgnis und schnellen Gegenmaßnahmen gebe es nach Ansicht der Forscher zurzeit nicht: Obwohl in Großbritannien jeder zweite Haushalt im Winter Vögel füttert, sei zumindest der Bestand an Blaumeisen landesweit seit 1995 konstant geblieben.

© Wissenschaft aktuell


 

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