Vergesslichkeit in der Schwangerschaft: Depression ist die wahre Ursache
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Beeinträchtigung des Arbeitsgedächtnisses kein typisches Merkmal einer normalen Schwangerschaft ist“, schreiben die Forscher um Elizabeth Hampson von der University of Western Ontario in London. Unter Arbeitsgedächtnis versteht man nicht nur einen Kurzzeitspeicher, sondern auch Hirnstrukturen, die die vorübergehend gespeicherten Gedächtnisinhalte verarbeiten und die Aufmerksamkeit steuern. An der Studie nahmen 28 Frauen in der 34. bis 36. Schwangerschaftswoche teil. Als Kontrolle dienten gleichaltrige Frauen mit gleichem Bildungsstand, von denen einige noch nie schwanger waren und andere, die kurz zuvor entbunden hatten. Durch standardisierte Tests wurden die Leistungen des Arbeitsgedächtnisses sowie mögliche Anzeichen einer Depression ermittelt. Blutproben gaben Auskunft über die Hormonspiegel.
Die Schwangeren, die nicht unter depressiven Störungen litten, erzielten dieselben oder sogar bessere Werte für die Leistung ihres Arbeitsgedächtnisses, verglichen mit nicht schwangeren Testpersonen. Bei psychisch gesunden schwangeren Frauen könnte der Anstieg des Östradiolspiegels gegen Ende der Schwangerschaft eine Ursache für ein besseres Kurzzeitgedächtnis sein. Diese kognitive Leistung war generell umso größer je höher der Östradiolspiegel war. Dieser positive Effekt des Hormons wird aber offenbar von einer starken negativen Wirkung einer Depression überlagert. Je ausgeprägter die depressive Störung, desto schlechter waren die Ergebnisse für das Arbeitsgedächtnis. „Dieser Zusammenhang bestätigte sich dadurch, dass sich nach der Geburt mit dem psychischen Befinden auch die Leistungen des Arbeitsgedächtnisses wieder normalisierten“, so die Autoren.
Auf welche Weise eine Depression solche Hirnleistungen beeinträchtigt, ist nicht bekannt. Man weiß aber, dass depressive Menschen häufiger unter Schlafstörungen leiden und erhöhte Blutwerte für das Stresshormon Cortisol haben. Für beide Faktoren ergab sich jedoch kein statistisch relevanter Zusammenhang, der die gestörte Hirnfunktion erklären könnte. Depressive Störungen während der Schwangerschaft würden möglicherweise oft von den Ärzten übersehen, vermuten die Forscher. Es könne durchaus sein, dass sie mindestens so häufig sind wie Depressionen, die bei 20 bis 30 Prozent der Frauen nach der Geburt auftreten.