Ungewöhnliche Virus-Spuren im menschlichen Erbgut

Im Genom von verschiedenen Wirbeltieren fanden Forscher DNA-Abschnitte, die von Ebola- und Bornaviren stammen
Modell des Bornavirus
Modell des Bornavirus
© M.Eickmann
Philadelphia (USA) - Im Erbgut des Menschen finden sich bekanntlich zahlreiche Abschnitte von Genen so genannter Retroviren. Sie bauen bei einer Infektion ihre Gene in die DNA der Wirtszelle ein. Überraschenderweise haben jetzt amerikanische Forscher in den Genomen des Menschen und anderer Wirbeltiere auch Genreste anderer Virustypen entdeckt, die ihr genetisches Material normalerweise nicht in die Zell-DNA einbauen. Die Virus-DNA stammte aus dem Erbgut zweier Virenfamilien: Ebola/Marburg-Viren und Bornaviren. Deren Vertreter verursachen oft tödlich verlaufende Infektionen. Ob die Virus-Genabschnitte wie eine Impfung wirken und vor einer Infektion schützen können, sollen weitere Untersuchungen zeigen, schreiben die Wissenschaftler im Online-Journal "PLoS Pathogens".

"Das war eine Überraschung für uns. Diese Viren sind RNA-Viren. Und wir kennen keinen Mechanismus, durch den sie ihr genetisches Material in die DNA des Wirtsgenoms einbauen könnten", sagt Anna Marie Skalka vom Fox Chase Cancer Center in Philadelphia. Zusammen mit Kollegen des Institute for Advanced Study in Princeton durchsuchte sie 48 Genome von Wirbeltieren auf das Vorkommen von 5666 Genen von RNA-Viren, die nicht zu den Retroviren gehören. Während die Retroviren ihr als RNA vorliegendes Erbgut bei einer Infektion in DNA umwandeln und in die Zell-DNA einbauen, können das andere RNA-Viren nicht. Umso unerwarteter war der Befund, dass die Forscher 80 Genabschnitte solcher Viren im Erbgut von 19 Wirbeltierarten entdeckten. Beim Menschen handelte es sich um ein Gen von Bornaviren, bei den anderen Spezies - darunter Maus, Eichhörnchen, Opossum und Zebrafisch - wurden auch Genreste von Viren der Ebola/Marburg-Familie gefunden. Bornaviren sind als Erreger von neurologischen Erkrankungen des Pferdes bekannt, Ebolaviren lösen ein hochinfektiöses hämorrhagisches Fieber aus.

Einige der Virus-DNA-Abschnitte müssen auf noch unbekanntem Weg bereits vor 40 Millionen Jahren in die Keimbahn von Wirbeltieren gelangt sein, so dass sie bis heute an die folgenden Generationen vererbt wurden. Möglicherweise war und ist der dauerhafte Einbau der Genteile für den Wirt mit einem Überlebensvorteil verbunden. "Man könnte sich irgendwie vorstellen, dass diese Integrationen als genomische Impfungen wirken", sagt Skalka. So gibt es Beispiele dafür, dass solche Genbruchstücke zur Produktion von Virusproteinen führen, die dann - wie bei einer Impfung - eine Immunantwort auslösen. Auf diese Weise könnte ein gewisser Immunschutz gegen eine Infektion des entsprechenden Virus erzeugt werden. Das wollen die Forscher nun prüfen. Es gibt bereits Hinweise darauf, dass tatsächlich einige der Virusgene im menschlichen Erbgut auch aktiv sind.

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Quelle: "Unexpected Inheritance: Multiple Integrations of Ancient Bornavirus and Ebolavirus/Marburgvirus Sequences in Vertebrate Genomes", Vladimir A. Belyi et al.; PLoS Pathogens, Vol. 6(7): e1001030, doi:10.1371/journal.ppat.1001030, http://dx.plos.org/10.1371/journal.ppat.1001030


 

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