Üble Nachbarn unter Seevögeln
"Die Attacken waren brutal und es war für gewöhnlich mehr als ein erwachsener Vogel involviert, da die Küken vor dem zuerst angreifenden Nachbarn flüchteten", erzählt Kate Ashbrook von der University of Leeds. "Mehr als zwei Drittel aller Todesfälle unter den Kücken im Beispielgebiet wurden durch Attacken benachbarter Eltern verursacht." Bereits seit beinahe dreißig Jahren beobachten Biologen Kolonien von Trottellummen (Uria aalge) auf der schottischen Isle of May. Die Seevögel leben in den Kolonien dicht an dicht mit teilweise bis zu dreißig brütenden Paaren auf einem Quadratmeter. Sie bekommen ein Junges und sind für gewöhnlich sehr fürsorgliche Eltern, die ihr Küken kaum unbeaufsichtigt lassen.
Wird die Nahrung aber knapper, sind die Eltern gezwungen, sich auch beide gleichzeitig auf die Futtersuche zu begeben und dann kann die Nachbarschaft lebensgefährlich für die Kleinen werden. Bisher kamen Angriffe auf Junge äußerst selten vor. Doch im vergangenen Jahr blieb beinahe die Hälfte aller Küken irgendwann im Laufe des Tages unbeaufsichtigt. Die Biologen beobachteten hunderte von Übergriffen, von denen viele für die Küken tödlich ausgingen: Die Jungen wurden etwa zu Tode gepickt oder über die Klippen gestoßen. "Diese Untersuchung verdeutlicht, wie fragil das soziale Gefüge einer Seevogelkolonie ist", erläutert Sarah Wanless vom Centre for Ecology & Hydrology, eine der Co-Autorinnen. "Einen gestressten, hungrigen Nachbarn zu haben, ist keine gute Neuigkeit, wenn man ein unbeaufsichtigtes Trottellummenküken ist."