Toxoplasmose: Wenn Maus die Miez nicht mehr fürchtet
„Es ist bemerkenswert, dass selbst nachdem die Infektion größtenteils oder vollständig verschwunden ist, eine umfassende Verhaltensänderung bestehen bleibt“, sagt Wendy Ingram von der University of California, Berkeley. Dass eine vorübergehende Infektion zu einer potenziell permanenten Veränderung der Biologie des Wirts führe, könne gewaltige Auswirkungen auf das medizinische Verständnis von Infektionskrankheiten haben. Für Toxoplasma gondii, den Auslöser der primär von Katzen bekannten Toxoplasmose, ist es ein entscheidender Vorteil, dass Mäuse Katzen angstfrei begegnen. Dies erhöht nämlich die Wahrscheinlichkeit, dass infizierte Nager von einer Katze verspeist werden, ungemein. Und nur dann gelangt der Parasit von der Maus wieder in die Katze, seinen Primärwirt. Während die Maus nur ein Zwischenwirt ist, ist Toxoplasma gondii auf die Katze angewiesen, denn nur in deren Darm kann sich der Parasit sexuell vermehren.
Ingram und Kollegen gingen dem Phänomen der angstfreien Mäuse näher auf den Grund und setzten dabei zwei unterschiedliche, wenig aggressive Stämme Toxoplasma gondii ein. Unter anderem verglichen sie das Verhalten von infizierten und gesunden Tieren in einer Versuchsarena, in der sich an einer Stelle Katzen- oder Kaninchen-Urin befand und in der sich die Mäuse frei bewegen konnten. Für gewöhnlich meiden Mäuse die Nähe von Katzen-Urin; Kaninchen-Urin hat dagegen keine abschreckende Wirkung auf sie. Dabei beobachteten die Forscher, in welchen Bereichen sich die Nager aufhielten – weit entfernt von den Stellen mit dem Urin oder auch in deren Nähe. Außerdem untersuchten die Forscher die Gehirne der Mäuse im Verlauf von vier Wochen auf Anzeichen der Parasiteninfektion. Sie stellten fest: Die typischen Verhaltensänderungen blieben auch dann noch bestehen, wenn im Gehirn keinerlei Merkmale der Infektion mehr feststellbar waren, weder Zysten von Toxoplasma gondii noch Anzeichen von Entzündungen. Diese Tiere reagierten weiterhin gleichgültig auf Katzen-Urin und hielten sich durchaus auch in dessen Nähe auf. Nicht infizierte Mäuse hingegen mieden den Geruch, der sie instinktiv ängstigte. Dies legt nahe, dass im Anfangsstadium der Infektion permanente Veränderungen derjenigen Mechanismen stattfinden, auf denen die Angst vor der Katze fußt.
Bisherige Annahmen gingen davon aus, dass Zysten, die in den Nervenzellen verbleiben, dazu beitragen, dass Mäuse ihre angeborene Angst vor Katzen verlieren. Aus ihren Untersuchungen schließen Ingram und Kollegen nun aber, dass es keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem veränderten Angstverhalten und der Parasitenbelastung oder der damit einhergehenden Entzündungsreaktionen gibt. Vielmehr scheinen andere Mechanismen eine Rolle für die Veraltensänderung zu spielen – etwa bestimmte Eiweißstoffe, die vom Erreger in den Organismus abgegeben werden.