Thermometer für die Ultrakälte

Neue Methode erlaubt mit einem Trick das indirekte Messen von Milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt.
Die Ausrichtung der Spins von ultrakalten Atomen erlaubt es, ihre Temperatur extrem nahe dem absoluten Nullpunkt zu messen: Das angelegte Magnetfeld (grüne Pfeile) beeinflussen die Ausrichtung der Spins (schwarzer Pfeil) der Rubidium-Atome.
Die Ausrichtung der Spins von ultrakalten Atomen erlaubt es, ihre Temperatur extrem nahe dem absoluten Nullpunkt zu messen: Das angelegte Magnetfeld (grüne Pfeile) beeinflussen die Ausrichtung der Spins (schwarzer Pfeil) der Rubidium-Atome.
© Alan Stonebraker
Cambridge (USA) - Kälter als am absoluten Nullpunkt geht es nicht - die Temperatur von minus 273,15 Grad Celsius ist auch im Labor unerreichbar, doch nahe kommen kann man ihm heute bis auf wenige Milliardstel Grad. So nahe, dass erst jetzt US-Physiker ein verlässliches Thermometer für solche Ultratieftemperaturen entwickeln konnten. Bis zu weniger als einem Billionstel Grad nahe dem absoluten Nullpunkt messen sie mit einem Trick: Sie umgeben die tiefgekühlten Atome mit einem Magnetfeld und lesen an den Veränderungen des Feldes die Temperatur ab, so ihr Bericht im Fachblatt "Physical Review Letters". Die Experimente in extremer Kälte sind nötig, um seltene physikalische Phänomene zu erforschen - etwa Quantenzustände, die Grundlage für künftig mögliche, hochleistungsfähige Quantencomputer.

"Wir zeigen Temperaturmessung mit Spin-Gradienten, eine neue allgemeine Methode, die Temperatur ultrakalter Atome in optischen Gittern zu messen", schreiben die Forscher um David M. Weld und Wolfgang Ketterle vom MIT-Harvard Center for Ultracold Atoms. Das Team platzierte ultrakalte Rubidium-Atome in ein so genanntes optisches Gitter und legte ein sich räumlich veränderndes Magnetfeld an. Die Atome in zwei quantenmechanischen Zuständen mit je unterschiedlichen magnetischen Momenten reagierten auf das Magnetfeld, indem sich ihre quantenmechanische Ausrichtung - der Spin - an den Feldlinien ausrichtete. Die durchschnittliche Magnetisierung der Atome ließ sich messen und erlaubte den Forschern, durch das Bestimmen anderer leicht messbarer Eigenschaften, die Temperatur abzuleiten. Im Vergleich mit anderen Messverfahren konnten sie für verschiedene Temperaturbereiche zeigen, dass die neue Methode gut übereinstimmende Werte liefert.

Die niedrigste gemessene Temperatur war ein Nano-Kelvin, also ein Milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt. In der Theorie kann die Methode aber noch hundertfach niedrigere Temperaturen messen - die Grenzen liegen in den technischen Möglichkeiten, die Regionen gleicher Magnetisierung abzubilden.

Erst bei derart niedrigen Temperaturen werden Phänomene wie das Bose-Einstein-Kondensat möglich, so genannte Superensembles, die einen tiefen Einblick in die Welt der Quantenphysik erlauben. Komplexe quantenmechanische Eigenschaften von Materialien werden sichtbar, das Verhalten von Elektronen etwa unterscheidet sich deutlich von dem bei Raumtemperatur. Zwar handelt es sich dabei um Grundlagenforschung, andererseits unterstützt ein besseres Verstehen der quantenmechanischen Eigenschaften konkret die Entwicklung so genannter Quantencomputer.

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "Spin Gradient Thermometry for Ultracold Atoms in Optical Lattices", David M. Weld, Wolfgang Ketterle et al.; Physical Review Letters, Vol 103, S. 245301


 

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