Strom aus Gezeitenströmung: Weltgrößtes Kraftwerk wird vor schottischer Westküste gebaut

"Sound of Islay"-Projekt wird mit Unterwasser-Turbinen genug Strom für 5000 Haushalte liefern
Areal von Unterwasserturbinen (Grafik)
Areal von Unterwasserturbinen (Grafik)
Edinburgh (Großbritannien) - Zehn gigantische Rotoren werden im kommenden Jahr vor der Westküste Schottlands versenkt. Sie bilden dann mit zehn Megawatt Leistung das weltweit größte Kraftwerk, das elektrischen Strom aus Gezeitenströmungen gewinnen wird. Diese Woche genehmigte die schottische Regierung das "Sound of Islay"-Projekt und gab damit den Weg frei für den Bau der über 45 Millionen Euro teuren Anlage.

"Gezeitenstrom gilt schon lange als Schottlands wertvollste Quelle für erneuerbare Energien", sagt Keith Anderson, Direktor des Unternehmens ScottishPower Renewables. Nach langen Planungsjahren und vielen Testreihen werden ab 2012 insgesamt zehn Unterwasserturbinen am Meeresboden zwischen den Inseln Islay und Jura und der schottischen Westküste installiert. Zwischen Ebbe und Flut strömendes Wasser wird auf jeweils drei Rotorblätter treffen und jeden der zehn Generatoren, deren Aufbau an Windräder erinnert, antreiben. Nach seiner Fertigstellung – geplant für das Jahr 2013 – werden die zehn 1-Megawatt-Anlagen genug Strom für 5000 Haushalte und acht Whisky-Destillen liefern.

Entwickelt wurden die Strömungskraftwerke von dem Norwegischen Unternehmen Hammerfest Strøm AS. Ein kleinerer Prototyp der Anlage mit 300 Kilowatt Leistung konnte bereits sechs Jahre lang vor der norwegischen Küste Strom produzieren. Mit den deutlich größeren Anlagen des Typs HS1000 wird diese Technologie nun erstmals zur kommerziellen Stromerzeugung eingesetzt werden. Parallel laufen dieses Jahr noch zahlreiche Versuche der Ein-Megawatt-Rotoren im renommierten Forschungszentrum EMEC (European Marine Energy Centre) in den Gewässern der nordschottischen Orkney-Inseln.

Die "Sound of Islay"-Anlage ist jedoch nur ein erster Schritt, um den Anteil regenerativ erzeugten Strom in Schottland drastisch zu steigern. Bereits für 2011 hat sich die Region einen Anteil von 31 Prozent am gesamten Strombedarf zum Ziel gesetzt. Und in wenigen Jahren könnten 95 weitere Unterwasserturbinen im Pentland Firth, einer Meerenge zwischen Schottland und der Insel Orkney, mit einer Gesamtleistung von 1600 Megawatt folgen. Gezeitenstrom lässt sich zudem jeden Tag zuverlässiger gewinnen als aus Wind- oder Solaranlagen, deren Ausbeute stark mit den Wetterverhältnissen schwankt.

Bisher wird über den Tidenhub der Gezeiten nur in gigantischen Damm-Anlagen in Frankreich, Kanada und Südkorea elektrischer Strom erzeugt. Doch die Unterwasserturbinen nutzen stattdessen die starken Meeresströmungen der Gezeiten und sind daher von der Höhe des Tidenhubs, die größer als fünf Meter sein sollte, unabhängig. Nicht nur vor den Küsten Schottlands, sondern rund um den Globus könnte sich die Stromerzeugung über die Meeresströmungen lohnen. Experten haben allein in Europa über 100 Standorte ausgemacht, an denen jedes Jahr etwa 48 Terawattstunden Strom gewonnen werden könnten. Das entspräche etwa einem Zehntel der Strommenge, die allein Deutschland pro Jahr benötigt. Auch für Japan mit seiner viele tausend Kilometer langen Küste und 6848 kleineren Inseln birgt Gezeitenstrom ein riesiges, bislang ungenutztes Potenzial.

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