Spanische Grippe - Bakterien machten Virenkrankheit tödlich

Bei Ausbruch einer neuen Epidemie müssen nicht nur die Influenzaviren, sondern auch bakterielle Erreger von Lungenentzündungen bekämpft werden, um die Zahl der Todesfälle zu begrenzen
Influenzaviren der Spanischen Grippe
Influenzaviren der Spanischen Grippe
© Centers for Disease Control and Prevention
Silver Spring (USA)/Enoggera (Australien) - An der so genannten Spanischen Grippe, die sich 1918/19 weltweit ausbreitete, starben mehr Menschen als im ersten Weltkrieg. Verantwortlich dafür war - so die bisher vorherrschende Meinung - eine besonders aggressive Variante des Influenza A-Virus. Doch nicht die Viren, sondern Bakterien seien die wahren Killer der Grippepandemie gewesen, behaupten jetzt amerikanische Forscher. Nach Auswertung historischer medizinischer Berichte kommen sie zu dem Schluss, dass die Virusinfektion die Menschen anfällig machte für eine nachfolgende bakterielle Lungenentzündung, die dann meist tödlich verlief. Um gegen künftige Grippepandemien gewappnet zu sein, sollte daher auch für einen Vorrat an Antibiotika und Impfstoffen gegen Bakterien gesorgt werden, schreiben die Mediziner im Fachblatt "Emerging Infectious Diseases".

"Wir glauben, das Influenzavirus selbst war zwar notwendig, aber nicht ausreichend, um die zahlreichen Todesfälle zu verursachen", sagte John Brundage vom Armed Forces Health Surveillance Center in Silver Spring gegenüber dem "New Scientist". Zusammen mit Dennis Shanks vom Australian Army Malaria Institute in Enoggera hatte er Krankenakten damaliger Grippeopfer ausgewertet. In den meisten Fällen seien die beschriebenen Krankheitsverläufe eher mit einer bakteriellen Pneumonie in Einklang zu bringen. Wäre allein das Virus verantwortlich gewesen, hätte die Krankheit einen schnelleren und fast immer den gleichen Verlauf genommen, so die Forscher. Die Infektion zog sich aber häufig länger als eine Woche hin und die Symptome variierten von Fall zu Fall.

In vielen Fällen waren damals aus Sekreten und Gewebeproben der tieferen Atemwege von Erkrankten Pneumokokken, hämolytische Streptokokken, Staphylokokken oder Haemophilus-Bakterien in großer Zahl nachgewiesen worden. Das sind Bakterien, die in geringer Zahl auch bei Gesunden vorkommen. Diese haben sich wahrscheinlich stark vermehrt, nachdem die Viren das Lungengewebe geschädigt und die Immunabwehr geschwächt hatten. Schließlich hat dann eine bakterielle Pneumonie dem Erkrankten den Todesstoß versetzt.

Um auf die nächste Grippepandemie vorbereitet zu sein, müsse man neben antiviralen Medikamenten auch ausreichende Vorräte an Antibiotika anlegen, sagt Brundage. Während ein dem neuen Erreger angepasster Grippeimpfstoff erst kurzfristig produziert werden muss, könnten Antibiotika und Impfstoffe gegen bekannte bakterielle Erreger sofort zur Verfügung stehen. Das Vogelgrippevirus H5N1 sei zwar in der Lage, Menschen auch ohne die Hilfe von Bakterien zu töten, sagt Jonathan McCullers, Grippeforscher am St Jude Children's Research Hospital in Memphis. Aber es kann keine Epidemie auslösen, da es noch nicht von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Und wenn sich das Virus erst besser an den Menschen angepasst hat, so McCullers, könnten auch hier die Bakterien eine größere Rolle spielen.

Emerging Infectious Diseases / New Scientist
Quelle: "Deaths from Bacterial Pneumonia during 1918-19 Influenza Pandemic", John F. Brundage & G. Dennis Shanks; Emerging Infectious Disease, Online-Publikation, DOI: 10.3201/eid1408.071313


 

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