Schleimproteine von Seeanemonen gegen Schwerhörigkeit?

Eiweißstoffe von der Oberfläche der Blumentiere reparieren geschädigte Haarzellen aus dem Hörorgan von Mäusen
Seeanemonen nehmen Beutetiere mit Hilfe von Haarzellen wahr.
Seeanemonen nehmen Beutetiere mit Hilfe von Haarzellen wahr.
© Glen Watson
Lafayette (USA) - Starker Lärm kann die Sinneszellen unseres Gehörs so stark schädigen, dass dauerhafte Schwerhörigkeit die Folge ist. Bisher gibt es keine Therapie, die eine Reparatur oder Neubildung der sogenannten Haarzellen bewirkt. Auch Seeanemonen verfügen über Haarzellen, die außen an ihren Tentakeln sitzen. Damit nehmen sie Vibrationen wahr, die von vorbeischwimmenden Beutetieren erzeugt werden. Im Gegensatz zu Säugetieren sind die Blumentiere in der Lage, geschädigte Haarzellen sehr schnell zu reparieren. Das geschieht durch einen Mix von Proteinen, den sie produzieren und in einer Schleimschicht auf der Haut ausscheiden. Jetzt konnten amerikanische Biologen zeigen, dass diese Proteine auch die gestörte Struktur und Funktion von Haarzellen aus dem Hörorgan von Mäusen wiederherstellen können. Ob sich daraus eine Therapie gegen Schwerhörigkeit entwickeln lässt, müssen weitere Untersuchungen zeigen, schreiben die Forscher im Fachblatt „Journal of Experimental Biology“.

„Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass sich im Lauf der Evolution zumindest einige Mechanismen erhalten haben, durch die geschädigte Haarbündel der Sinneszellen repariert werden“, erklären Glen Watson und seine Kollegen von der University of Louisiana in Lafayette. Haarzellen dienen allgemein als Mechanosensoren, indem sie mechanische Reize in Form von Schall oder Vibrationen mittels haarförmiger Fortsätze registrieren und in Nervensignale umwandeln. Das funktioniert nur dann, wenn die einzelnen Fäden, Stereozilien genannt, untereinander durch Proteine verbunden sind. Dadurch entstehen geordnete Strukturen von Haarbündeln. Durch extreme Reize werden diese Verbindungen aufgelöst und die Sinneszelle kann ihre Funktion nicht mehr erfüllen. In früheren Arbeiten hatten die Forscher schon gezeigt, dass Seeanemonen eine Schädigung ihrer Haarbündel mit Hilfe freigesetzter Reparaturproteine innerhalb weniger Stunden beheben können. Im Experiment ließ sich diese Zeit sogar noch auf acht Minuten verkürzen.

Die neuen Experimente sollten nun prüfen, ob die Seeanemonenproteine auch geschädigte Haarzellen von Mäusen reparieren können. Dazu präparierten die Biologen Haarzellen aus der Hörschnecke junger Mäuse, hefteten sie auf Glasplättchen und hielten sie in einer Nährlösung am Leben. Durch kurzzeitige Übertragung in ein kalziumfreies Medium brachen die Forscher die Verbindungen zwischen den Stereozilien auf und störten so die Funktion der Zellen wie bei einem starken Hörschaden. Dann gaben sie Seeanemonenproteine hinzu, die sie dem Schleim vom Körper der Tiere entnommen hatten. Mit Hilfe einer speziellen Färbemethode ermittelten sie die Funktionsfähigkeit der Haarzellen vor und nach der Behandlung. Schon nach einer Stunde hatten die Zellen die Aktivität intakter Haarzellen nahezu vollständig zurückerlangt, während ohne Proteinzusatz nur ein sehr geringer Reparatureffekt eingetreten war. Auch nahmen die Stereozilien durch die Proteinbehandlung weitgehend wieder die geordneten Strukturen von Haarbündeln an.

Den Autoren zufolge gebe es Hinweise auf Gene im Erbgut der Maus, die für Proteine kodieren, welche den Reparaturproteinen der Seeanemonen sehr ähnlich sind. Es wäre also theoretisch denkbar, körpereigene Proteine zu aktivieren, um geschädigte Haarzellen zu reparieren. Zunächst soll jedoch der Mechanismus aufgeklärt werden, durch den die Proteine ihre Wirkung erzielen.

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