Schizophrenie in der Zellkultur

Aus reprogrammierten Hautzellen erzeugte Nervenzellen erleichtern die Erforschung der Krankheit
Aus Hautzellen erzeugte Neuronen von schizophrenen Patienten (Zellkerne blau gefärbt)
Aus Hautzellen erzeugte Neuronen von schizophrenen Patienten (Zellkerne blau gefärbt)
© Dr. Kristen Brennand, Salk Institute for Biological Studies
La Jolla (USA) - Menschliche Stammzellen sollen helfen, die Ursachen der Schizophrenie aufzuklären und gezielte Therapien zu entwickeln. Als ersten Schritt dazu haben amerikanische Forscher jetzt Hautzellen von Patienten zunächst zu Stammzellen reprogrammiert und daraus Nervenzellen erzeugt. Dann verglichen sie diese Neuronen mit genauso erzeugten Nervenzellen gesunder Menschen. Dabei ergaben sich zum einen Unterschiede in den Aktivitäten zahlreicher Gene. Zum anderen zeigte sich, dass die Neuronen der Schizophrenie-Patienten weniger Signal übertragende Kontakte untereinander ausbildeten. Ein zur Behandlung der Schizophrenie zugelassenes Medikament verbesserte wiederum die Vernetzung der Zellen. Solche Zellkulturen können daher auch die Suche nach neuen Medikamenten erleichtern, berichten die Wissenschaftler online im Fachjournal "Nature" (doi: 10.1038/nature09915).

"Niemand weiß, wie groß die Bedeutung von Umweltfaktoren für diese Krankheit ist. Indem wir Neuronen in der Kulturschale wachsen lassen, können wir die Umwelteinflüsse ausblenden und uns auf die zugrunde liegenden biologischen Ursachen konzentrieren", sagt Kristen Brennand aus dem Labor von Fred Gage am kalifornischen Salk Institute for Biological Studies. Da es nicht möglich ist, Experimente mit Hirnzellen eines Patienten durchzuführen, haben die Forscher über einen Umweg solche Zellen erzeugt. Sie entnahmen Hautzellen von vier erblich vorbelasteten Schizophrenie-Patienten und stellten daraus mit bekannten molekularbiologischen Techniken so genannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) her. Diese Zellen haben durch genetische Reprogrammierung die Eigenschaften von embryonalen Stammzellen angenommen. Das heißt, sie können sich wieder wie diese in sämtliche Zelltypen umwandeln. Unter speziellen Wachstumsbedingungen entstanden daraus in Gages Labor funktionstüchtige Nervenzellen. "Erstmals steht nun ein Modellsystem aus lebenden menschlichen Zellen für eine komplexe Geisteskrankheit zur Verfügung", sagt der Forscher.

Unterschiede in den Genen und der Kommunikation

Ein Vergleich der Genaktivitäten dieser Zellen mit Nervenzellen, die auf dieselbe Weise aus Hautproben gesunder Personen erzeugt worden waren, ergab Unterschiede in fast 600 Genen. Deren Bedeutung für die Ursache der Krankheit muss nun genauer analysiert werden. Die äußere Gestalt der gesunden und kranken Nervenzellen erschien auf den ersten Blick ganz ähnlich. Erst ein gentechnisches Färbeverfahren, das die zur Kommunikation genutzten Verbindungen zwischen den Zellen sichtbar machte, ließ erkennen: Die Schizophrenie-Neuronen bildeten weniger Nervenfortsätze und hatten weniger aktive Kontakte mit anderen Zellen als die gesunden Neuronen. Einen ähnlichen Unterschied hatte man bei Untersuchungen von Hirngewebe Verstorbener beobachtet. Das spricht dafür, dass die im Labor erzeugten Nervenzellen vergleichbare Eigenschaften besitzen wie die Hirnzellen der Patienten.

Mit der Anzucht von Nervenzellen aus iPS-Zellen eines Patienten könne man dem Ziel einer personalisierten Medizin näher kommen, sagt Gong Chen von der Pennsylvania State University, ein Mitglied des Forscherteams. Denn die patienteneigenen Zellen ermöglichen es, nach dem jeweils wirksamsten Medikament mit den geringsten Nebenwirkungen zu suchen. Die Forscher prüften mit den Zellkulturen den Einfluss von fünf häufig verschriebenen Schizophrenie-Medikamenten auf die letzte Phase der Neuronenentwicklung. Als einziger der getesteten Wirkstoffe zeigte Loxapin einen positiven Effekt. Das Mittel erhöhte die Zahl der Zellverbindungen und veränderte die Aktivität zahlreicher Gene.

Die Schizophrenie ist eine psychische Erkrankung, deren Ursache unbekannt ist. Sowohl genetische Faktoren als auch Umwelteinflüsse spielen eine Rolle. Bei den Erkrankten entwickeln sich unterschiedliche Formen von Persönlichkeitsstörungen, darunter Sinnestäuschungen und Wahnsymptome. Die zur Behandlung eingesetzten Neuroleptika, auch Antipsychotika genannt, blockieren die Wirkung von Botenstoffen im Gehirn.

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Quelle: "Modelling schizophrenia using human induced pluripotent stem cells", Kristen J. Brennand et al.; Nature, Online-Vorabpublikation, doi: 10.1038/nature09915


 

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