Schiefergas-Umfrage: Fracking lohnt sich in Europa nicht

Wirtschaftsanalysten sehen bei aktuellen Gaspreisen kaum Chancen für Ausbeutung unkonventioneller Gasvorkommen
Schiefergasvorkommen schlummern weltweit in den Böden
Schiefergasvorkommen schlummern weltweit in den Böden
© United States Department of Energy
Mannheim - Die Förderung von Schiefergas mit dem umstrittenen Fracking-Verfahren hat in den USA zu einem neuen Gasboom mit stark sinkenden Preisen geführt. Doch in Europa sei trotz ebenfalls großer Schiefergas-Vorkommen kaum mit einer wirtschaftlichen Ausbeutung dieser Lagerstätten in den kommenden Jahren zu rechnen. Zu diesem Ergebnis kommen deutsche Energieanalysten vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Grundlage ihrer Analyse ist eine Umfrage bei etwa 160 Experten aus der Energiebranche.

„Die Förderung von unkonventionellem Erdgas in der EU ist auf absehbare Zeit unwirtschaftlich“, sagt Florens Flues, Umweltökonom am ZEW. Zudem seien die Kosten für Umwelt und Gesundheit durch unkonventionelle Gasförderung schwer einzuschätzen. Fracking in Europa lohne sich erst bei deutlich höheren Gaspreisen von etwa 50 Euro pro Megawattstunde (MWh). Aktuell rangiert der Kurs an den Großhandelsplatzen bei etwa 30 Euro/MWh. So könnten die großen Vorkommen zumindest einige Jahre unangetastet bleiben. Allein in Deutschland schätzt die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover die Schiefergas-Lagerstätten auf 13.000 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Zehn Prozent davon könnten aus 1.000 bis 5.000 Meter Tiefe mit verfügbaren Fracking-Verfahren gefördert werden und damit die konventionellen Erdgasreserven um ein Vielfaches überflügeln. Weitere reiche Vorkommen erwarten Geologen in Österreich, Polen, der Ukraine, Ungarn, Rumänien oder Frankreich.

Für die Förderung müssten die Tiefengesteine pro Bohrung mit mehreren Millionen Liter Wasser und Zusätzen aus Sand und Chemikalien aufgerissen werden. „Nach den verfügbaren Daten werden 25 bis 30 chemische Substanzen eingesetzt“, heißt es in einer BGR-Studie. Neben wenig problematischen Subtanzen wie anorganischen Salzen oder schnell abbaubarem Natriumhypochlorit würden organische Stoffe wie Tenside, Erdölderivate und Biozide mit höherem Toxizitäts- und Umweltgefährdungspotenzial verwendet, mit schwankenden Mengen zwischen wenigen Kilogramm (Bioziden) bis zu mehreren Tonnen bei Tensiden. Diese Stoffe stellen bei Leckagen oder Transportunfällen ein Umweltrisiko dar. Zudem muss die nach einem Frac wieder aus dem Bohrloch austretende Flüssigkeit sicher aufgefangen und aufwendig entsorgt werden. Daraus resultiert ein Risiko für die Trinkwasserqualität. Zudem kann das Auftreten von Erdbeben in bestimmten Fördergebieten nicht völlig ausgeschlossen werden.

Daher überwiegt in Europa im Unterschied zu den USA die Skepsis gegenüber dem Fracking. In Frankreich, Tschechien und Bulgarien ist diese Art der Gasförderung derzeit verboten, Bürgerinitiativen machen in vielen Staaten zunehmend auf die Risiken aufmerksam. In Deutschland warnten jüngst mehrere Studien vor einer möglichen Verseuchung des Grundwassers. Laut Umweltbundesamt (UBA) könne Fracking nur unter sehr strengen Auflagen und außerhalb von Trinkwasserschutzgebieten erfolgen. „Experten, die weitere Regulierungen wie beispielsweise Umweltverträglichkeitsprüfungen erwarten, nehmen in der Tendenz höhere Förderkosten für unkonventionelle Gase an“, sagt Fluens. „Inwieweit diese Regulierungen helfen, Umwelt- und Gesundheitsschäden zu vermeiden, ist allerdings eine offene Frage.“

Zwar wird Erdgas wird in den kommenden Jahren eine immer wichtigere Rolle im Energiemix der EU einnehmen. Doch der wachsende Bedarf könnte auf absehbare Zeit mit Importen gedeckt werden. Laut ZEW-Studie würden derzeit in Russland, Aserbaidschan, Turkmenistan und Katar konventionelle Gasfelder mit deutlich geringeren Förderkosten erschlossen. Nicht nur über neue Pipelines wird das Gas nach Europa gelangen. Auch die Transportkapazitäten für verflüssigtes Erdgas (LPG) mit speziellen Gastankern werden stetig ausgeweitet. Einige Energieexperten sehen hier jedoch das Risiko einer zu großen Abhängigkeit von den Förderstaaten, die sich mit eigenem Schiefergas allerdings reduzieren ließe. Mit steigenden Gaspreisen sehen die befragten Experten, dass frühestens in zehn Jahren die Förderung von Schiefergas in Europa – wahrscheinlich beginnend in Polen und der Ukraine – an Bedeutung gewinnen könnte.

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