Sanfte Chemo hält den Krebs besser in Schach

Neues Therapiekonzept verhindert erneutes Tumorwachstum besser als der übliche Einsatz maximal dosierter Krebsmittel
Schon vor Beginn der Chemotherapie enthält ein Tumor resistente Krebszellen in geringer Zahl.
Schon vor Beginn der Chemotherapie enthält ein Tumor resistente Krebszellen in geringer Zahl.
© Klement et al., Science Translational Medicine (2016)
Tampa (USA) - Das Krebswachstum nur zu stoppen, könnte vorteilhafter sein als zu versuchen, einen Tumor ganz zu zerstören. Denn die übliche aggressive Chemotherapie lässt zwar Tumoren stark schrumpfen. Aber früher oder später kommt es danach zu erneutem Krebswachstum, das dann mit Medikamenten nicht mehr aufzuhalten ist. Jetzt haben amerikanische Mediziner die Wirksamkeit einer alternativen Behandlungsstrategie in Tierversuchen bestätigt. Dabei verabreichten sie ein Krebsmittel in einer Dosis, die im Lauf der Behandlung immer weiter abnahm. Das verhinderte ein Wachstum des Tumors, ließ keine resistenten Krebszellen entstehen und verringerte die Nebenwirkungen, berichten die Forscher im Fachblatt „Science Translational Medicine”. Nach dieser Therapie überlebten die meisten Mäuse mit Brusttumoren längere Zeit auch ganz ohne Krebsmedikament.

„Wie unsere Ergebnisse zeigen, könnte eine angepasste Chemotherapie bewirken, dass Brustkrebspatientinnen länger überleben, weil die Krankheit nicht weiter fortschreitet“, erklären die Wissenschaftler um Robert Gatenby vom Moffitt Cancer Center and Research Institute in Tampa. Sie verglichen den Erfolg unterschiedlicher Formen der Chemotherapie bei Mäusen, denen sie jeweils eine von zwei Arten menschlicher Brusttumoren implantiert hatten. Analog zur Standardtherapie verabreichten sie einem Teil der Tiere im Abstand von drei bis vier Tagen fünfmal das Krebsmittel Paclitaxel in maximaler Dosis. Eine andere Gruppe von Mäusen erhielt über einen längeren Zeitraum in regelmäßigen Abständen geringere Mengen desselben Medikaments, wobei die Dosierung der jeweiligen Tumorgröße angepasst und mit der Zeit immer schwächer wurde. Bei einer dritten Gruppe vergrößerten die Forscher den Abstand zwischen zwei Chemotherapien, sobald das Tumorwachstum stoppte.

Die hochdosierte Chemotherapie hatte ein schnelles und starkes Schrumpfen des Tumors zur Folge. Doch nach zehn bis zwanzig Tagen begann ein erneutes Wachstum von Krebszellen, die nun gegen Paclitaxel resistent geworden waren. Ähnlich war der Therapieverlauf, wenn der Rhythmus der Behandlung unterbrochen wurde. Die an die Tumorgröße angepasste, von Mal zu Mal schwächer dosierte Chemotherapie erwies sich langfristig als die erfolgreichste Behandlungsform. Bei mehr als 60 Prozent der Mäuse beobachteten die Forscher auch längere Zeit nach dem Absetzen des Krebsmittels kein Wachstum der noch immer vorhandenen Tumoren mehr.

Sie erklären ihre Ergebnisse mit Mechanismen der Evolution und betrachten einen Tumor als Ökosystem. In diesem Biotop konkurrieren verschiedene Zelltypen um Nährstoffe. Eine aggressive Chemotherapie erzeugt einen starken Selektionsdruck, der die wenigen, bereits vorhandenen resistenten Krebszellen gegenüber den sensiblen begünstigt. Schließlich können sich die resistenten Zellen vermehren, da sie weder durch das Medikament noch durch die Konkurrenz der anderen Krebszellen daran gehindert werden. Ziel der angepassten Chemotherapie sei es, ein Gleichgewicht zwischen beiden Typen von Krebszellen im Tumor zu erhalten, schreiben die Autoren. Ein weiterer positiver Effekt von gering dosierten Krebsmitteln bestehe darin, dass weniger Immunzellen geschädigt werden, die bei der Krebsabwehr helfen. In Kombination mit einer Immuntherapie könnte eine an das Tumorwachstum angepasste Chemotherapie den Krebs vielleicht nicht völlig beseitigen, aber doch das Leben der Patienten deutlich verlängern.

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