Reges bakterielles Leben in der Wolkenzone

In Höhen von zehn Kilometern über dem Erdboden existieren erstaunlich viele Bakterien, die bei der Wolkenbildung eine Rolle spielen könnten
Einige der lebensfähigen Luftkeime aus der Troposphäre lassen sich im Labor auf Agarplatten anzüchten.
Einige der lebensfähigen Luftkeime aus der Troposphäre lassen sich im Labor auf Agarplatten anzüchten.
© Gary Meek, Georgia Tech
Atlanta (USA) - Mikroben sind ein Bestandteil des Feinstaubs in der bodennahen Luft. Aber auch in der Wolkenzone unserer Atmosphäre haben amerikanische Forscher jetzt Luftkeime in überraschend großer Zahl nachgewiesen. Luftproben, die zu verschiedenen Zeiten in zehn Kilometern Höhe mit einem Flugzeug gesammelt wurden, enthielten etwa 300 unterschiedliche Arten lebensfähiger Bakterien. Ob diese „Schwebewesen“ nur zeitweise aus tieferen Luftschichten hochgewirbelt werden oder längere Zeit im oberen Bereich der Troposphäre existieren können, ist noch nicht geklärt. Unklar ist vorerst auch ihre Bedeutung als Kondensationskerne für die Wolkenbildung und damit ihr möglicher Einfluss auf Wetter und Klima, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“.

„Ich wäre nicht überrascht, wenn es aktives Leben und Wachstum in den Wolken gäbe, aber das können wir jetzt noch nicht mit Sicherheit sagen“, sagt Konstantinos Konstantinidis vom Georgia Institute of Technology in Atlanta. Sein Forscherteam sammelte Luftproben in der mittleren und oberen Troposphäre - dem Teil der Atmosphäre, der sich 8 bis 15 Kilometer über dem Erdboden erstreckt. Dazu dienten ein Überlandflug von Kalifornien nach Florida, sowie mehrere Flüge über verschiedene Meeresregionen. Das Flugzeug saugte bei jedem Einsatz sechs Kubikmeter Luft durch einen Spezialfilter, der Feinstaubpartikel absorbierte. Die Flüge erfolgten vor, während und nach zwei tropischen Hurrikans im Jahr 2010.

Unerwartet war der mit 20 Prozent sehr hohe Anteil von Bakterien an der Gesamtmenge der festen Partikel im Größenbereich zwischen 0,25 und einem Mikrometer. Aufgrund von DNA-Analysen schätzen die Forscher die Bakterienzahl pro Kubikmeter auf 5.000. Die mikroskopische Auswertung lieferte noch höhere Werte und wies die Lebensfähigkeit von 60 bis 100 Prozent dieser Mikroben nach. Der Gehalt an Pilzzellen war um mindestens eine Größenordnung geringer. Im Verhältnis zur Menge an Sand- und Salzpartikeln gleicher Größe war die Bakterienzahl sogar höher als in den unteren Schichten der Atmosphäre.

Die nachgewiesene DNA gab auch Auskunft über die Spezies der Bakterien. Jede Luftprobe enthielt 100 bis 300 Bakterienarten, insgesamt ließen sich 314 Spezies unterscheiden. 17 davon waren in allen Proben enthalten. Dazu zählten auch solche, die Oxalsäure und andere einfache Kohlenstoffverbindungen verwerten konnten, welche in der Atmosphäre vorkommen. Die Forscher schließen daraus, dass zumindest einige der Luftkeime durchaus längere Zeit in dieser Luftschicht überleben könnten. Darmbakterien wie E. coli fanden sich nur in Proben, die während eines Hurrikans gesammelt worden waren. Sie zählen zu den Mikroben, die mit dem Wind vom Erdboden und von Wasserflächen bis in große Höhen gelangt sind, wo sie nur kurzzeitig bleiben.

In der oberen Troposphäre entstehen die meisten Wolken. Dazu sind Kondensationskerne nötig, um die sich Wassertropfen und Eiskristalle bilden. Auch Bakterien haben die geeignete Größe, um als Kondensationskerne zu wirken. Sie könnten also für Wolkenbildung, Niederschläge und Klima eine größere Rolle spielen, als bisher angenommen. Um längere Zeit in der Luft schwebend existieren zu können, sind die Mikroben auf spezielle Schutzmechanismen angewiesen: Sie müssen sich vor der UV-Strahlung und vor aggressiven Sauerstoffverbindungen wie Ozon schützen und Trockenheit überstehen.

© Wissenschaft aktuell


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg